Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
Vom Netzwerk:
zwanzig Metern entdeckte, die seiner Karte nach der Pötterberg sein mußte, ihm von seiner ersten Brammer Reportage her für immer in Erinnerung. Hier nämlich wohnte der Herr Stadtdirektor Wilhelm Wurth in einem schmucken niederdeutschen Landhaus, und von hier aus hatte er zum großen Schlag ausgeholt, um die kleine Buchhandlung von Dörte Bleichröder und Gunhild Corzelius, den B&C-Bücherschuppen, als Porno-Laden zu entlarven. Schwer gefährdende Schriften hätten sie vertrieben und gegen die Paragraphen 131 («Verherrlichung von Gewalt») und 184 («Verbreitung pornographischer Schriften») verstoßen. Vieles war beschlagnahmt worden, witzigerweise auch das Buch «Bikini», das allerdings das Bikini-Atoll und die Atombomben meinte.
    Um zur JVA zu kommen, mußte er nun hinterm Pötterberg links abbiegen, was wegen des beträchtlichen Gegenverkehrs nervend lange dauerte.
    Nächster Orientierungspunkt war dann die Wittkoppener Windmühle, gerade eben restauriert und mit Segeltuchbespannung sogar; ein sogenannter «Erdholländer», wie sein Brammer Stadtplan ihm verriet.
    Auf einem schmalen Damm ging es nun durch einen Arm des Brammer Moors hindurch, und er konnte sogar ein Storchenpaar entdecken, das gerade auf dem Giebel einer abbruchreifen Scheune landen wollte.
    Unvermittelt nach soviel Idylle tauchte dann die JVA Bad Brammermoor auf, eine backsteinrote Burg wie aus den Katalogen der Modelleisenbahner, verspielt mit ihren vielen Erkern und Türmchen, doch beim Näherkommen sah man schon, was Sache war, die Gitter vor den Fenstern, die Posten auf den Türmen und den Stacheldraht allüberall.
    Jossa formulierte schon die ersten Sätze seines Berichtes, wollte damit beginnen, wie komisch es sei, daß heutzutage in unseren Gefängnissen keine Strafe mehr verbüßt, sondern Justiz vollzogen werde, siehe JVA gleich Justizvollzugsanstalt.
    So ganz wohl war ihm nicht, als er seinen schwarzen Golf auf einer weiten Schotterfläche parkte, hätte lieber eine Brauerei besucht oder eine Leibesertüchtigungsanstalt für höhere Töchter.
    Und wer hatte ihn da angemacht? Der große Manitou natürlich nach einem Open-air-Konzert auf dem anstaltseigenen Fußballplatz. Mann, du, ich hab noch nie Zuhörer gehabt, die so voll drauf gewesen sind. Mußte dich auch mal kümmern um die! Daß er Spuren hinterlassen hatte, stimmte zweifellos, denn aus einem der unzählig vielen Zellenfenster, bei der Hitze alle weit geöffnet, dröhnte er mit seinem jüngsten Song weit ins Moor hinein: «Stadtindianer kämpfen bis zum letzten Mann, sind Weißenhasser, kämpfen um den letzten Liter Feuerwasser, Feuerwasser…!»
    Jossa konzentrierte sich auf seine Arbeit, las schnell noch einmal durch, was er im Rathaus, die JVA betreffend, an Material bekommen hatte.
    JVA Bad Brammermoor, 1871 errichteter Flügelbau im panoptischen System mit Zentrale und vier Zellenflügeln, 442 Haftplätze, 1953 bis 1959 erweitert durch ein Werkstättengebäude mit Versorgungseinrichtungen, offener Vollzug in der Nebenstelle Uppenkamp.
    Das hauptamtliche Personal, erfuhr Jossa weiter, umfasse 234 Mitarbeiter, zwei Pfarrer darunter, und der Anstaltsleiter sei derzeit ein Volljurist mit Namen Werner Zweeloo. Mußte er alles vorab speichern, wenn er Erfolg haben wollte.
    Ein Blick zum Eingang hin, zur «Pforte», zeigte ihm, daß sie ihn schon «kameramäßig» erfaßt hatten. So stieg er aus, griff sich seinen abgegriffenen grünen Ringordner, schloß seinen Wagen ab und ging gelassen auf die stählerne Schiebetür zu, über der das schön gemalte Schild BESUCHER hing, mußte aber erst ein Messingknöpfchen drücken und über eine Gegensprechanlage erklären, daß er Jossa hieße, vom Brammer Tageblatt käme und sich schon vor vierzehn Tagen angemeldet hätte.
    «Moment!» tönte es zurück, so dumpf, als säße der Beamte direkt im Folterkeller.
    Jossa fröstelte unwillkürlich, und er wünschte sich auf die große Wiese am Brammer Meer, Mädchenärsche und Schamberge vor Augen und nicht die schlabbernden Uniformhosen des Beamten, der ihm jetzt, als die Schiebetür ins Mauerwerk glitt, mit Handschlag den Eintritt erlaubte.
    «Willkommen auf unserer Müllkippe!»
    Jossa fand den Ausdruck wenig angemessen, schwieg aber brav, wurde durch einen bräunlich-gelben Vorraum zu einem Schalter geführt und gebeten, seinen Personalausweis in eine kleine Schale zu legen, die von einem weiteren Beamten dann ins Rauminnere gezogen wurde. Zugleich wurde die schwere Stahltür per
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher