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Ich kann jederzeit aufhören - Drogen - der gefährliche Traum vom Glücklichsein

Ich kann jederzeit aufhören - Drogen - der gefährliche Traum vom Glücklichsein

Titel: Ich kann jederzeit aufhören - Drogen - der gefährliche Traum vom Glücklichsein
Autoren: Ruth Omphalius
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weggelaufen bist?
    „16. Das erste Mal. Je öfter ich weggelaufen bin, desto länger war ich weg und wurde irgendwann nicht mehr von der Polizei eingesammelt.“
    Welche Rolle haben Freunde gespielt?
    „Wenn ich von zu Hause weggelaufen bin, war ich auf der Straße oder bei Freunden. … Am Anfang war es so, dass meine Freunde meine Familie ersetzt haben … Aber durch den Drogenkonsum entwickelt man sich auseinander und dann ist es so, dass die Droge immer mehr den Platz der Freunde einnimmt. Aber selbst wenn die Freunde die Familie sind, ist man emotional irgendwie allein … Später sind es keine Freunde mehr, sondern nur Menschen, mit denen man konsumiert. Das ist reiner Konsum.“
    Was ist mit den Leuten, die Du in der Therapie kennengelernt hast?
    „Mit einigen habe ich versucht, nach der Therapie wieder Kontakt aufzunehmen – ich weiß gar nicht, ob es überhaupt jemand geschafft hat. Bei Alkohol, Heroin usw. schaffen es 75% nicht. Aber die Zahl liegt eigentlich noch viel höher, weil die Therapiezeit, die genehmigt und bezahlt wird, immer kürzer wird. Aber wenn man 40 Jahre alt ist und 20 Jahre drogenabhängig ist, ist man nicht nach fünf Monaten gesund. … Viele brauchen sehr, sehr viele Anläufe, immer wieder und immer wieder. Viele sterben.“
    Hast Du noch Kontakt zu Deinem Therapeuten?!
    „Ja, das wird auf alle Fälle so bleiben. Wichtig ist aber, dass man immer weniger Therapie macht. Sonst wird man unselbstständig. Man kann dann ja gar nicht mehr frei leben. Man redet sich immer nur ein: Oh Gott, ich darf das und das nicht, und macht sich Vorwürfe, weil man irgendwas gemacht hat. Ich habe mittlerweile zu meinem Therapeuten nur noch ab und an Kontakt, wenn ich merke, irgendwas stimmt nicht. Es hilft, sich wieder zu erden, eine feste Anlaufstelle, einen Anker zu haben ...“
    Wie viel Zeit braucht man, um allein zurechtzukommen?
    „Ich habe mein soziales Netz gesponnen, es ist noch ausbaufähig. Man muss sich sehr viel Zeit geben, was sehr schwer ist. Ich bin persönlich sehr ungeduldig mit mir selbst. Damit stelle ich mir oft selbst ein Bein. Was, denke ich, vielen Suchtkranken so geht. Sie erwarten einfach viel zu viel davon, wenn sie aufhören, Drogen zu nehmen. ... Auf einmal ist alles so nüchtern. So klar. Und damit muss man erst mal wieder zurechtkommen. Im Grunde genommen ist es leicht aufzuhören. Man lässt es einfach. Das Schwierige daran ist dabeizubleiben.“
    Kann man bald dem „normalen“ Leben mehr abgewinnen – im Vergleich zum Leben mit Drogen?
    „Es gab für mich einmal diesen Wow-Effekt des Frühlings! Aber es ist etwas anderes, den Alltag zu leben, den man leben muss: Früh aufstehen, arbeiten gehen, Kollegen ertragen, die vielleicht total ätzend sind. Das braucht Zeit. Und, ich denke, es gibt viele Drogensüchtige, die es nie lernen werden.“
    Warum fällt es Drogensüchtigen so schwer, sich mit dem „normalen“ Leben anzufreunden?
    „Ich denke, drogenabhängige Menschen sind meistens sehr emotional gestrickte Persönlichkeiten. Sie haben aber niemanden, mit dem sie das teilen können. Wie schön z.B. diese Blume blüht. Und nach der Therapie ist es immer noch so, dass man sehr emotional ist. Man hat ein sehr dünnes Fell. Und kommt dann in ein Umfeld zu Menschen, denen man wieder einen Vertrauensvorschuss geben muss. Und die sagen einem dann: „Du bist voll schlecht.“ Und obwohl es nur gut gemeint ist, verletzt es dich emotional sehr.“
    Kannst Du Dich heute besser akzeptieren, weil Du deine Lebensgeschichte besser akzeptieren kannst?
    „Auf alle Fälle. Ich habe das akzeptiert, so wie es ist. Ich hasse das ‚Was wäre nur gewesen, hätte ich das so und so gemacht …‘. Das ist so ein blödes Spiel. Und es ärgert mich, wenn das andere Menschen in meiner Gegenwart machen – ‚Hätten wir denn noch …‘ Es ist jetzt so. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen! Und es bleibt halt so. Klar gibt es Erinnerungen, wo es mir kalt den Rücken runterläuft, und ich denke, oh Gott, was hast du da nur gemacht? Und dass ich mir nicht verzeihen kann, dass ich durch mein Verhalten logischerweise auch andere Menschen total verletzt habe. Aber ich habe zu der Zeit nach bestem Gewissen gehandelt, weil ich es einfach nicht besser wusste. Und daher kann ich es einfach akzeptieren, so wie es ist.“
    Dieses Beispiel von Thorsten macht Mut. Aber tatsächlich schaffen es nur wenige, endgültig von den Drogen loszukommen. Der Weg ist schwer und prägt fürs ganze Leben.
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