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Ich habe abgeschworen

Ich habe abgeschworen

Titel: Ich habe abgeschworen
Autoren: Mina Ahadi , Sina Vogt
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eine Kleinigkeit essen, denn meine Mutter war sehr pragmatisch eingestellt. Sie beschloss einfach, dass das für kranke Kinder erlaubt sei, ohne dass das Fastengebot damit gebrochen würde.
    Mein Onkel, der im selben Haus wohnte, hat häufig aus dem Koran gelesen, über die fünf täglich vorgeschriebenen Gebete hinaus. Er stand dazu mit dem Gesicht Richtung Mekka und wiegte sich ganz leicht zum arabischen Singsang, den wir natürlich nicht verstanden. Ich fand diese eintönigen Laute unheimlich, und die feierliche Atmosphäre, die meinen Onkel bei seinem Gebet umgab, schüchterte mich ein. In meinen Ohren ist Arabisch eine schöne Sprache, aber wenn ich zum Beispiel heute im Fernsehen in einem arabischen Sender höre, wie aus dem Koran rezitiert wird, schaudert es mich immer noch. Auch ich musste Teile des Korans auswendig lernen, in der Schule jeden Tag eine halbe Stunde und zu Hause bei jedem Gebet. Es war einfach ein Nachsprechen von Lauten, die ohne jeden Sinn und Inhalt waren, nichts anderes.

Kirchen und Moscheen – Religionsfreiheit in Deutschland
    I n Deutschland ist die Trennung zwischen Staat und Kirche nicht so klar wie zum Beispiel in Frankreich. Der Staat zieht die Kirchensteuer ein und der Religionsunterricht an den Schulen wird nach kirchlichen Lehrplänen gegeben – Kinder jeder Religion und Konfession lernen so, schön getrennt voneinander, »ihre« Religion als die wahre kennen, ohne über die Inhalte anderer Religionen aufgeklärt zu werden oder etwas über den Atheismus zu erfahren.
    Die Kirche als Arbeitgeberin kann nicht nur von Priestern einen Gläubigkeitsnachweis fordern, sie darf unter kirchlichem Arbeitsrecht von ihren Mitarbeitern das Befolgen von kirchlichen Regeln erwarten, die im Berufsleben keine direkte Rolle spielen.
    Wer bei einem katholischen kirchlichen Träger zum Beispiel im sozialen Bereich (!) arbeitet, sich scheiden lässt und wieder heiratet, kann von seinem Arbeitgeber ebenso entlassen werden wie die Ärztin oder der Krankenpfleger, die oder der in einem katholischen Krankenhaus arbeitet und sich gleichgeschlechtlich verpartnern lässt. 3 Die Kirchen sind wie Inseln, auf denen Diskriminierungen erlaubt sind, die sonst in Deutschland nicht denkbar wären. Kirchenvertreter in Deutschland, egal ob evangelisch oder katholisch, kommen zu fast allen gesellschaftlichen Fragen prominent in den Medien zu Wort, äußern sich zur Stammzellenforschung ebenso wie zur Homosexualität und auch zu Fragen des Islam. Eine unheilige Allianz schließen die Kirchen mit den Islamverbänden in Sachen Religionsunterricht: Um die eigene Hoheit über den konfessionellen Unterricht an staatlichen Schulen zu behalten (und zu zementieren), unterstützen sie deren Bestreben nach einem eigenen Islamunterricht.
    Statt endlich einen Ethikunterricht in den Schulen einzurichten, in dem Kinder aller Religionen und religionslose Kinder gemeinsam etwas über Grundrechte und ethisches Handeln lernen, statt also Kinder verschiedenster familiärer Glaubenshintergründe diese Chance zur Integration zu geben, rufen die christlichen Kirchen nach einem islamischen Religionsunterricht parallel zu ihrem Privileg des katholischen und evangelischen Unterrichts.
    Religion ist »in«. Die Bundeskanzlerin, und dabei ist sie nicht allein, möchte die »christlichen Wertvorstellungen« in einer möglichen europäischen Verfassung verankert sehen, und der Innenminister lädt ein zu einer Islamkonferenz, auf der Vertreter religiöser Gruppen für Millionen Einwanderer sprechen sollen. Als Ausländer bleibt man in Deutschland der und die Andere, als Muslim wird man eingeladen, am Religionstisch Platz zu nehmen. Die christlichen Kirchen sind in Deutschland überall präsent: 2005 gehörten 30,8 Prozent der deutschen Bevölkerung der evangelischen, 31 Prozent der römisch-katholischen Kirche an. 4 Das sind immerhin fast zwei Drittel der Bevölkerung. Religion ist auch in Deutschland keine reine Privatsache. Deshalb macht es so viel Sinn, auch zum Atheismus ein Bekenntnis abzulegen.
    Viele Deutsche, die einmal getauft wurden, treten im Lauf ihres Lebens aus der Kirche aus. Ein Verwaltungsakt. Aber auch die türkische und türkischstämmige Bevölkerung ist nicht so religiös, wie die aktuellen Debatten um Islamkonferenz und Moscheenbauten vielleicht vermuten lassen: Nach einer Umfrage des Zentrums für Türkeistudien bezeichnen sich 28 Prozent der 1 760 000 Türken in Deutschland als »sehr religiös«, 55 Prozent als »eher
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