Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ich glaub, ich lieb euch alle

Titel: Ich glaub, ich lieb euch alle
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
am Joystick des Spielautomaten und dresche mit der Faust auf die Punch-Taste. Das ist ja wohl lächerlich! Ich hätte den ganzen Sommer über üben sollen. Das Einzige, woran ich denke, sind Mädchen, und ich unternehme rein gar nichts. Wie kann man vierundzwanzig Stunden sieben Tage die Woche von etwas träumen, ohne die Initiative zu ergreifen? Ich muss auf der Stelle etwas dagegen tun. Ich muss meiner Schüchternheit einen MIGHTY BLOW in die Fresse verpassen! Zwischen Vice-City und Ms.-Pac-Man-Automaten seh ich Amber Lee (ungelogen das absolut heißeste Mädchen in meiner Klasse), wie sie gerade versucht, Geld am Münzwechsler zu wechseln. Normalerweise wird sie von ihren beiden Freundinnen Bitchy Nicky und der fetten Abby bewacht, deshalb kommt man ihr höchstens in der Pausenhalle nahe genug, um ihr ein Kopfnicken oder ein » Na, alles klar?« zuzuwerfen. Im Moment aber ist sie ganz allein und versucht vergeblich, einen Dollarschein in den alten, pingeligen Automaten zu schieben. In der siebten Klasse haben wir angefangen, den Automaten » die Teufelsmaschine« zu nennen, denn er spuckt nur Kleingeld aus, wenn man einen makellosen Dollarschein nimmt, der gerade frisch aus der Notenbank kommt. Mein Spiel ist noch lange nicht vorbei, doch ich erahne hier eine große Chance, die ich mir nicht entgehen lassen kann. Wenn ich die Highschool mit einer heißen Braut an meiner Seite starte, dann würde das die Sache sicher um einiges leichter machen.
    Entschlossen mache ich mich auf den Weg zu ihr rüber. Das muss jetzt die lang ersehnte Welle von Selbstvertrauen und Reife sein. Ich brauch keine Übung mehr, das Spiel kann beginnen! Ich werde irgendetwas wahnsinnig Komisches über die Teufelsmaschine oder die US-Nationalbank sagen. Ich fang einfach an mit » Kriegst wohl kein Wechselgeld?«. Vielleicht lehne ich mich an den Ms.-Pac-Man-Automaten, vielleicht verschränke ich die Arme, so genau hab ich mir das noch nicht überlegt. Wie eine Giftschlange schleiche ich mich von hinten an mein Opfer ran. Ihr langes Haar ergießt sich über ihr pinkfarbenes Tank-Top und ist wahrscheinlich gerade lang genug, um den oberen Teil ihrer Brüste zu verdecken. Vielleicht ist es auch lang genug, um ihre Brüste komplett zu verdecken, wie in einem dieser Werbespots, in denen man eine nackte Tussi sieht, ohne dass man etwas wirklich Wichtiges erkennen kann, weil ihr Haar…
    Verdammte Scheiße, Carter, konzentrier dich gefälligst auf deine Aufgabe! » Kriegst wohl kein Wechselgeld?« So lautet dein Einsatz, also sag es endlich! Sei cool, sei souverän, aber tu nicht zu großkotzig. Immer wieder schweife ich mit den Gedanken ab– ich leide nämlich am Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, kurz ADS. Obwohl es sich um eine richtige Krankheit handelt, lässt meine Mutter mich keine Medikamente einnehmen. Mein Freund EJ drüben am X-Men-Videoautomaten wirft regelmäßig Ritalin ein. Und man kann ganz genau sagen, wann er vergessen hat, es zu schlucken. Puh! Dann ist er wie eine Rakete ohne Pilot. Allerdings leidet er am ADHS, dem Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom. Das ist ein klein wenig anders– zu dem ewigen Abdriften kommt noch das regelmäßige Ausflippen. Ich drifte nur, ich flippe nicht. Ich leide an der stinknormalen Old-school-ADS. Meine Mutter meint dazu nur: » Du bist halt ein wenig verträumt, und daran ist nichts Schlimmes.« Um etwas gegen meine Krankheit zu tun, lässt sie mich die Dinge aufschreiben. Ich notiere alles, was mir irgendwie wichtig erscheint, auf meinen Armen oder den Händen. An manchen Tagen sehe ich aus wie einer von den Hells Angels, weil ich mir so abartig viele Dinge merken muss.
    Ich hätte mir » Kriegst wohl kein Wechselgeld« auf den Arm schreiben sollen, weil irgendwie kommt es mir jetzt nicht ganz so flüssig über die Lippen, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich steh hinter ihr wie so ein kranker Stalker, aber weil sie mich noch nicht bemerkt hat, bin ich immer noch einigermaßen cool.
    Wie gerne würde ich bei der Sache bleiben, immer meine Hausaufgaben machen, bei Tests der Überflieger sein, nur gute Noten schreiben, der Typ in der Klasse sein, von dem alle abschreiben wollen– aber die Welt scheint andere Pläne mit mir zu haben. Warum baut man eigentlich überhaupt Fenster in die Klassenzimmer ein, wenn ich dann doch nicht nach draußen glotzen soll? Warum muss Amber Lee eigentlich so ultraknappe Shorts tragen, so glänzend braune Beine und so supercoole Reef-Flipflops und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher