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Ich, die Chronik

Ich, die Chronik

Titel: Ich, die Chronik
Autoren: Vampira VA
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lehrte?« warf Oriente fast hysterisch ein. »Wir kennen keine Tugenden wie die Menschen! Wie kannst du uns strafen für etwas, das unser Wesen ist?«
    »Zu anderen könnt ihr so arglistig und unloyal sein, wie ihr wollt«, erwiderte Landru. »Aber mir, mir schuldet ihr bedingungslosen Gehorsam! Ihr solltet Teil meines Planes sein - nicht ihn sabotieren!«
    »Du hast uns nie gesagt, wozu dieser Plan dient. Hätten wir verstanden, was von uns erwartet wird, dann -«
    »Ich rede nicht von Verstehen - ich rede von Gehorsam! Ihr habt kein Recht, etwas zu fordern! Und jetzt schweigt - schweigt und folgt mir!«
    »Wohin?« fragte Peten bebend.
    Entgegen ihrer eigenen Erwartung erhielt sie eine vage Antwort: »Dorthin, wo auch ihr mir einen letzten Dienst erweisen könnt!«
    »Auch?«
    »Euer Bruder ist euch vorausgegangen ...«
    Daß sie keinen Todesimpuls empfangen hatten, nährte ihre Hoffnung bis zuletzt.
    *
    Ich lausche in mich. Ich fühle mich allein, trotz Nonas Gegenwart, die keinen Trost birgt. Ist diese schöne junge Frau, die den Charme eines Mädchens und die Reife einer erfahrenen Frau in sich vereint, nun Freund oder Feind? Sie gehört ganz zweifellos zu Landru - aber gehört sie auch, wie er mich glauben machen will, zu mir .?
    »Wo bleibt er so lange?«
    Die herbe Schönheit hat sich auf einen der Teppiche gesetzt und das Kinn auf die angezogenen Knie gestützt. Sie trägt nicht die hier übliche Kleidung, sondern jene Mode, die ich hinter der magischen Barriere kennengelernt habe, als ich von Italien aus nach Sydney und weiter nach Mesoamerika reiste.
    Auf meine Frage hin hebt sie den Kopf leicht an und sagt: »Er hat versprochen, dir das Buch zu bringen, und er hält seine Versprechungen.«
    »Du hast eine hohe Meinung von ihm.« Ich gehe auf sie zu, bleibe aber stehen, bevor ich ihr zu nahe komme. Etwas an dieser Frau, die Jugend und Alter in perfekter Symbiose zu vereinen scheint, hält mich auf Distanz.
    »Er hat mich nie enttäuscht«, sagt sie.
    Ich nicke. »Und mich?«
    Sie senkt den Blick und flüstert gepreßt: »Ich ertrage es nicht!«
    »Was erträgst du nicht?«
    »Dich so reden zu hören ... Nach allem, was uns verbindet.«
    »Ich wünschte, ich könnte es glauben - obwohl mich vieles ab -stößt, was er tut.«
    »Früher hast du nicht so geredet.«
    »Es muß etwas sehr Dramatisches geschehen sein, wenn sich meine Empfindungen so gravierend geändert haben .«
    Die Goldäugige schweigt . Ich habe nie Augen von solcher Farbe gesehen. Sie gefallen mir weit besser als meine eigenen grünen, die Landru jadegrün genannt hat - irgendwann auf unserem gemeinsamen Weg, während unserer gemeinsamen Suche nach der verlorenen Erinnerung.
    »Hat er dich -«, ich beuge mich ein wenig zu ihr hinab, könnte sie aber nicht einmal mit ausgestreckten Armen erreichen, »- jemals berührt?«
    »Berührt?«
    »Anders als man es bei einem . Mündel täte?«
    Sie spreizt die Hände, die ihre Beine umklammert hielten. »Worauf willst du hinaus?« »Ich versuche mir ein Bild von uns zu machen - von unserem Zusammenleben. Und da Landru kein Mann ist, der sich an irgendwelche Regeln hält, finde ich es nicht abwegig zu vermuten, daß er .« Ich stocke.
    In diesem Moment ertönt die Melodie - oder ist es Gesang? -, die ich schon einmal vernahm, als ich mit Cuyo zusammen eingeschlossen im Panzer meines Kleides lag!
    Nona bemerkt meine Irritation. Sie blickt fragend zu mir auf.
    »Hörst du das?«
    Sie verneint. »Was meinst du?«
    Ich sehe mich um. Wir sind immer noch allein in der kalten Kammer, und die Fackeln an den Wänden flackern nicht unruhiger als zuvor.
    Und trotzdem .
    Das Raunen schwillt an, fast schmerzhaft, dann öffnet sich plötzlich die Tür.
    Landru kehrt zurück. Er ist allein, Cuyo ist nicht mehr bei ihm, aber dafür trägt er das, was er mir versprochen hat, in seinen Armen.
    Ich reiße die Fäuste hoch und presse sie gegen meine Schläfen. Der Chor der geisterhaften Stimmen brandet auf mich ein, als wollte er mich hinwegfegen.
    »Du spürst es?« Landru klingt zufrieden, als er die Tür hinter sich wieder schließt und zu mir tritt.
    Meine Augen hängen nur an dem Folianten. Das Material, aus dem er besteht, saugt meine Blicke förmlich in sich auf, und erstmals meine ich vereinzelte Stimmen zu verstehen. Auch die Schriftzeichen auf dem Einband - sie erinnern mich an etwas . an .
    (Runen. An ganz bestimmte Runen?)
    ... ich weiß nicht mehr.
    »Wo ist Cuyo?« versuche ich mich aus dem Bann zu
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