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Ich, die Chronik

Ich, die Chronik

Titel: Ich, die Chronik
Autoren: Vampira VA
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hatte sie sich auch schon über ihn gekniet und ihre Zähne in seiner Halsschlagader versenkt.
    Meine Gedanken wurden durch das ruckhafte Aufstoßen der Tür von dem bizarren Schauspiel abgelenkt.
    »Alle auf den Boden! Keiner rührt sich, dann wird auch keinem . oh, shit!«
    Die gezückten Waffen in den Händen der beiden Halbstarken ließen keinen Zweifel an ihren ursprünglichen Absichten. Doch kaum daß sie die Szenerie, die sich ihren Blicken bot, in allen Einzelheiten erfaßt hatten, wich ihr toughes Auftreten einem Moment ratloser Verwunderung.
    »Was läuft denn hier? Is' das irgendso 'ne perverse Orgie, oder was?«
    »Komm schon, Butch. Laß uns abhauen. Das is mir nich' geheuer«, drängte der zweite Kerl.
    »Wieso, Mann? Ich finde, die Kleine hat 'nen süßen Arsch. Vielleicht läßt sie uns ja mitspielen. Dreh dich doch mal um, Baby.«
    Die junge Frau war mit dem Kassierer offenbar fertig und kam der Aufforderung des Jungen ohne zu zögern nach. Ihre Augen glühten wie Feuer, ihr Mund war blutverschmiert, und ihre Züge hatten einen raubtierhaften Ausdruck angenommen. Der Anblick entlockte den Kehlen der Tankstellenräuber ein gequältes Stöhnen.
    »Was ist denn, Jungs?« gurrte sie. »Kommt doch her. Ich beiße nicht, Ehrenwort.« Ich war wohl der Einzige, der mitbekam, daß sie die Finger hinter ihrem Rücken kreuzte, während sie langsam auf die beiden zuging.
    »Bleib bloß stehen, du Schlampe! Keinen Schritt weiter!«
    Der Schuß, der sich aus dem Revolver des Kleineren löste, ging mitten durch die Schulter der Frau. Sie blieb einen Augenblick lang stehen und betrachtete die Wunde eher interessiert als bestürzt. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich das dunkle Loch von selbst wieder geschlossen hatte.
    Schneller als Butch »Fuck« sagen konnte, war sie über ihm und tat sich, von wilder Gier getrieben, an dem roten Saft gütlich, der heiß aus der Wunde an seinem Hals schoß. Ich stand daneben und beobachtete den Tod des Jungen mit demselben Ausmaß an Mitleid, mit dem mich der Überlebenskampf einer ertrinkenden Pestratte erfüllt hätte.
    Der zweite Typ, dessen Namen ich nicht kannte, beschloß nach einer Sekunde faszinierten Ekels Fersengeld zu geben. Er riß die Glastür des Verkaufsraumes auf und stürmte in die anbrechende Nacht.
    Der Fahrer des Budweiser-Trucks, der in diesem Moment die Einfahrt entlanggebrettert kam, hatte offensichtlich nicht mit dem brüllenden Etwas gerechnet, das wild fuchtelnd wie aus dem Nichts vor seiner Windschutzscheibe auftauchte und einen Sekundenbruchteil später wie ein lästiges Insekt gegen den Kühlergrill klatschte.
    Das Ausweichmanöver, zu dem sich der Fahrer genötigt sah, führte zu einer kurzen, aber intensiven Bekanntschaft mit einer der Zapfsäulen, bevor Mensch und Maschine in einem tobend gen Himmel strebenden Flammenmeer das jähe Ende ihrer Existenz erfuhren.
    Rasch griff das Feuer auf die Umgebung über und verwandelte den eben noch stillen Ort in eine wahre Hölle aus Explosionen, Rauch und umherfliegenden Trümmern.
    *
    »Und wo befindet sich die Kleine jetzt?« erkundigte sich der Officer mit einem Unterton, der mir jegliche Hoffnung auf ein wenig Verständnis raubte.
    Ich dachte daran, wie das Mädchen vor mir aus dem Verkaufsraum gelaufen war. Wie dieser brennende Teil der Leuchtreklame einem Kometen gleich auf sie zugestürzt war und .
    Jetzt, wo ich die Szene vor meinem geistigen Auge zum zweiten Mal durchlebte, begriff ich die Ungeheuerlichkeit des Gesehenen erst richtig: Ihr Kopf, der vom Rumpf getrennt wird, mit aufgerissenen Augen einige Meter weiter rollt und dann, wie der Rest des Körpers, in einem widernatürlichen Akt zerfällt, bis nur noch einige Aschereste von ihrem absonderlichen Dasein auf Erden zeugen.
    »Vergessen Sie's«, seufzte ich, und bat den Officer, mich abzuführen.
    Bisher hatte ich die Gestalt in dem etwa vierzig Fuß entfernten Polizeiwagen überhaupt nicht bemerkt. Um so überraschter war ich über den Anblick des Mannes in Polizeiuniform, der mir jetzt entgegentrat und mit lüsternem Grinsen die inzwischen verkrustete Wunde an seinem Hals präsentierte. Seine Arme waren seltsam verdreht, als wären sie gebrochen gewesen und dann nicht wieder richtig zusammengewachsen.
    »Darf ich vorstellen: Officer Howser«, sagte der Cop, der mich ab -führte. »Ich denke, Sie kennen sich bereits.«
    Ich nickte. »Das mit Ihrem Motorrad tut mir leid. Dumme Sache.«
    »Halb so wild«, winkte er ab und entblößte seine
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