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Ich bin verliebt in deine Stimme

Ich bin verliebt in deine Stimme

Titel: Ich bin verliebt in deine Stimme
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mann, der ihr angekündigt worden war.
    Ich werde ihn fragen, dachte sie amüsiert, was es in Berlin Neues gibt. Wo bleibt er denn nur? Oder ich werde ihn fragen, was …
    Der Gedanke riß plötzlich ab. Der neue Gast erschien. Inge sah ihn. Was sie im selben Augenblick dachte, war ein einziges großes NEIN.
    »Guten Abend. Gestatten Sie?«
    Seine Stimme. Nein, dachte Inge, ich gestatte nicht, und sagte: »Bitte.«
    Er setzte, sich. »Danke.«
    Inge blickte sich nach ihrer Tante um, konnte sie aber nicht entdecken. Ich bringe sie um, dachte sie, zutiefst enttäuscht von ihr. Dann malte sie sich die Reihe ihrer Schritte aus, die sie nun gleich tun würde: Ich stehe auf, sage eiskalt zu ihm, ich ginge jetzt zur Toilette, bliebe drei Minuten weg und käme an meinen Tisch zurück, denn ich sähe, daß Sie ihn verlassen haben; sähe ich das nicht, verließe ich den Saal und reiste sofort ab. Haben Sie mich verstanden, Herr Petermann?
    »Fräulein Westholdt«, hörte sie ihn sagen. Sie blickte durch ihn hindurch. »Fräulein Westholdt, ich spüre, was Sie beabsichtigen. Sie gedenken, sich zu erheben und den Tisch zu verlassen. Das müssen Sie aber nicht. Sobald Sie die geringsten Anstalten dazu treffen, komme ich Ihnen zuvor. Ich hoffe jedoch inständig, daß Sie sitzen bleiben und mir nun einmal eine Viertelstunde lang zuhören. Ich habe Ihnen nämlich eine Menge zu sagen. Sollten Sie am Schluß meine Anwesenheit immer noch unerträglich finden, verspreche ich, Sie umgehend davon zu befreien. Sie werden dann nie mehr in Ihrem Leben etwas von mir sehen oder hören.«
    Inge gab es einen leisen Stich. Unwillkürlich fand sie seine letzten Worte übertrieben. Zufällige Begegnungen werden immer möglich sein, dachte sie, selbst in einer Riesenstadt wie Berlin; darauf haben Sie keinen Einfluß, Herr Petermann.
    »Darf ich anfangen?« fragte Ralf.
    Inge sagte nicht ja und nicht nein. Ralf faßte das als ja auf.
    An den anderen Tischen wurde mit dem Servieren begonnen. Um Inge und Ralf schien sich niemand kümmern zu wollen. Das hatte seinen Grund. Die beiden sollten, hatte Frau Lederer angeordnet, erst bedient werden, wenn sie das Signal dazu geben. Vorher habe man sie in Ruhe zu lassen.
    »Ich komme aus Berlin«, sagte Ralf, »um Ihnen mitzuteilen, daß Ihre Freundin sehr bald heiraten wird.«
    Eine solche Mitteilung lockt jede Frau aus der Reserve, auch die verstockteste.
    »Welche Freundin?« fragte Inge. »Ich habe mehrere.«
    »Ihre beste.«
    »Petra Martens?«
    »Ja.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Warum können Sie sich das nicht vorstellen?« fragte Ralf, und in seinem Gesicht zeigte sich zum erstenmal der Anflug eines Lächelns.
    Gerade dieses Lächeln aber war es, das Inges kalten Zorn in einen heißen umschlagen ließ. Jede Zurückhaltung aufgebend, erwiderte sie: »Weil ich ihr gesagt habe, was Sie für einer sind.«
    »Ich! Denken Sie denn, daß die mich heiraten will?«
    »Wen sonst?«
    »Meinen Freund.«
    »Aber mit dem sind Sie doch identisch.«
    Inge war zur fauchenden Tigerin geworden. Dieser Vergleich bedeutete keine Herabsetzung. Großkatzen gehören zu den schönsten Tieren der Welt, und da der Mensch ebenfalls ein Säugetier ist, bedeutet dieser Vergleich sogar eine Würdigung für Inge, da er auf sie zutraf.
    »Das glauben Sie also immer noch«, sagte Ralf.
    »Was?«
    »Daß ich mit meinem Freund identisch bin.«
    »Sind Sie gekommen, um das abzustreiten?« Ehe er antworten konnte, hatte sie nach ihrer Handtasche gegriffen und sie geöffnet, wobei sie fortfuhr: »Das wird Ihnen nicht gelingen. Hier, sehen Sie … haben Sie mir diese Ansichtskarte geschrieben oder nicht?«
    In der Luft schwenkte sie Ralfs Gruß aus der Lüneburger Heide. Ganz offenbar war Inges Handtasche zum ständigen Aufenthaltsort der Karte geworden. Damit stand sie, die Karte, im Verdacht, den Charakter einer Reliquie gewonnen zu haben. Ralfs Herz tat zwei, drei schnelle Schläge.
    »Doch, die habe ich Ihnen geschrieben«, gab er zu.
    »Aus Soltau?«
    »Ja.«
    »Und fast zur selben Zeit haben Sie Petra ähnlichen Erguß aus Paris gesandt.«
    »Nein.«
    »Doch, ich habe die Karte selbst gesehen.«
    »Wenn ja, dann nur von weitem; etwas anderes ist nicht möglich.«
    »Was heißt ›nur von weitem‹? Welche Bedeutung soll das haben?«
    »Wenn Sie die Karte aus der Nähe gesehen hätten, wäre Ihnen zwangsläufig die Verschiedenartigkeit der Handschriften auf jener Karte und auf der Ihren klargeworden.«
    Inge Westholdt
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