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Ich bin verliebt in deine Stimme

Ich bin verliebt in deine Stimme

Titel: Ich bin verliebt in deine Stimme
Autoren: Heinz G. Konsalik
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würde ich doch nie tun.«
    »Einmal ist das hier schon vorgekommen, nur waren da die Rollen umgekehrt. Brüskiert wurde in dieser Form damals eine Dame von einem Herrn.«
    »Und?«
    »Die Dame ist natürlich sofort abgereist.«
    »Aber das war doch ein Verlust für dich?«
    »Sicher, doch was hätte ich tun können? Ich mußte es in Kauf nehmen.«
    »Ich hätte an deiner Stelle den Mann vor die Tür gesetzt.«
    »Der wurde später einer meiner besten Gäste, er kam jedes Jahr wieder, nahm immer das teuerste Zimmer.« Die Tante blickte Inge achselzuckend an. »So ist das oft, mein Kind. Man kann es vorher nie sagen.«
    »Auf alle Fälle«, versprach Inge frohgemut, »kannst du sicher sein, daß ich dir so etwas nicht antun werde, Tante.«
    Die Gute ahnte nicht, in welcher selbstgestellten Falle sie damit saß.
    Frau Lederer verdrückte noch ein zweites Stück Kuchen. In ihrem Alter kam es ja nicht mehr so sehr auf jedes Gramm an, das sie zu- oder abnahm. Inge hingegen begnügte sich mit einem Stück, wenn's ihr auch schwerfiel.
    »Was ziehst du denn heute abend an?« fragte die Tante.
    An sich herabsehend, erwiderte Inge: »Kann ich nicht so bleiben?«
    Sie trug einen leichten braunen Rock und eine einfache grüne Bluse. Ihre nackten Beine steckten in flachen Sandalen. Von oben bis unten und wieder zurück sah sie einfach entzückend aus. Trotzdem schien das der Tante nicht genug zu sein, denn sie antwortete auf Inges Frage: »Ohne Strümpfe und andere Schuhe auf keinen Fall. Und warum willst du dein gelbes Seidenkleid, das du hier erst einmal angehabt hast, im Schrank hängen lassen? Das gefällt mir am besten.«
    »Wozu der Aufwand?« wunderte sich Inge.
    »Wenn einen Gott so geschaffen hat wie dich, mein liebes Kind, soll man nichts brachliegen lassen. Von allem mag dann immer das Höchstmaß zur Geltung kommen.«
    Diese goldene Faustregel stammte nicht von Frau Lederer selbst; sie hatte sie vor vielen Jahren einmal in einem Liebesroman gelesen und im Gedächtnis behalten, um sie bei gewissen Gelegenheiten zum besten zu geben.
    Inge mußte wohl oder übel einen Verdacht schöpfen, das war gar nicht mehr länger zu vermeiden. Sie sagte: »Tante, hat das etwas mit dem Tischherrn, den du mir für heute abend zugedacht hast, zu tun?«
    Frau Lederer hob den Zeigefinger, nachdem sie die Kuchengabel aus der Hand gelegt hatte.
    »Diese Worte, mein Kind, gelten immer. Aber wenn du mich speziell nach deinem Landsmann fragst, so finde ich, daß er an seine Tischdame mit Recht hohe Ansprüche stellen darf.«
    »Tante, du machst mir ja direkt Angst, du verpaßt mir ja richtige Hemmungen.«
    »Hemmungen?« Die alte Dame legte ihre Rechte auf Inges Hand und schaute das Mädchen liebevoll an. »Hemmungen hast du nicht nötig. Zieh das Gelbseidene, Strümpfe und Schuhe an«, fügte sie, die Hand ihrer Nichte tätschelnd, hinzu, »und um das Weitere brauchst du dir, glaube ich, keine Sorgen zu machen.«
    Dann hob Frau Lederer die Kaffeetafel auf. Inge ging auf ihr Zimmer und legte sich zu einem Nachmittagsschläfchen aufs Ohr.
    Frau Lederer aber rief die Oberstudiendirektorin des Mädchengymnasiums an und erregte bei dieser mit ihrer Zusage größte Begeisterung. Deren Vorstellungen hatten sich inzwischen noch erweitert, und zwar in Richtung ›Aktion Sorgenkind‹. Ein Basketballspiel ihrer Mädchen zusammen mit Inge Westholdt könnte doch, sagte sie sich, ein Schlager werden und einiges Geld einbringen.
    Der Nachmittag verging rasch. Inge verschlief ihn und sprang, als sie endlich erwachte, erschrocken aus dem Bett. Es war höchste Zeit, sich zum Abendessen zu richten, um vor den Augen der Tante Gnade zu finden.
    Das Urteil der alten Dame war, als Inge aus ihrem Zimmer herunterkam, rasch gefällt. Es lautete, nach – dem Frau Lederer einmal um ihre Nichte herumgegangen war, in Neudeutsch: »Okay!«
    Die Zeit war knapp. Schon eilte Frau Lederer wieder irgendwohin, um das knappe Personal in Schwung zu halten. Allmählich begann sich der Speisesaal zu füllen mit Leuten, die hungrige Gesichter machten. Sie kamen vom Baden, von weiten Spaziergängen in den Tälern oder auch von kräftezehrenden Bergtouren. Woher auch immer, über Appetitlosigkeit konnte niemand klagen.
    Inge Westholdt ging an ihren gewohnten Tisch und setzte sich. Wenn sie erwartet hatte, dort nicht mehr die erste zu sein, sah sie sich getäuscht. Der Tisch war bei ihrem Erscheinen noch leer. Nach dem Gespräch mit der Tante war Inge natürlich neugierig auf den
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