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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig
Autoren: Sabine Durrant
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die Katze an ihrem weißen Hals kraulte. Einmal holte er ein Stück Schinken aus der Tasche, das er vom Mittagessen aufgehoben hatte.
    Ich lehne mich an einen Baum. Daran darf ich mich jetzt nicht erinnern. Es ist ein Schnappschuss aus einer anderen Welt. Es ist zu spät. Dieser Mensch ist Philip längst nicht mehr. Er hat sich zu sehr verändert. Diese Person gibt es nicht mehr. Ich muss meine Gedanken davon lösen, notfalls mit Gewalt. Ich muss das auf die Reihe kriegen. Ich darf das nicht falsch machen. Keine Fehler mehr.
    Denk nach. Sortier.
    Alibi. Er ist hierhergeradelt. Er war vor ihrer Wohnung. Sein Alibi ist löchrig.
    Motiv. Sie war schwanger, drohte damit, es mir zu erzählen. Oder sie war mit einem anderen zusammen – Tolek? Oder sie hat ihn erpresst? Mehrere mögliche Motive.
    Beweise. Für meine DNA gibt es eine Erklärung. Ich habe die Leiche gefunden. Ich habe sie verunreinigt. Die Kleider, die Kreditkartenquittung, die Erde: Sie zeigen aufs Haus – auf Philip –, wie ich die ganze Zeit gesagt habe. Mittlerweile hat die Polizei den Kalender. Ein letzter kleiner Einwand, ein letztes Hindernis, über das ich stolpern könnte. Der neueste Beweis aus der Wohnung: Was ist es?
    Ich hole mein Handy heraus und rufe Jack an. Er will wissen, ob es mir gut geht. In seiner Stimme schwingt Angst mit. »Ja«, sage ich. »Mir geht’s gut. Alles wird gut.« Ich sage ihm, ich würde ihn zurückrufen, wenn ich wüsste, was los ist. »Nein. Ich bin nicht in Gefahr. Versprochen.«
    Er erzählt mir, dass er Morrow den Kalender gegeben hat, dass sie sich um einen Übersetzer kümmert. Und der neue Beweis, sage ich, aus Anias Wohnung: Hat er sie gefragt, was das war?
    »Nichts Interessantes«, antwortet er. »Sie hat gesagt, es sei ein Armband gewesen. Ein altes kaputtes Armband.«
    Ein Armband. Mein Armband. Es ist zerrissen, als ich sie umgebracht habe, und ist zwischen die Falten des Lakens oder hinter die Matratze gerutscht. Meine DNA ist daran, aber Philips ebenfalls. Ich denke daran, wie er sich mit gesenktem Kopf vorbeugte, um es zu schließen. Ein Mann, der die Kleider seiner Frau stiehlt, um sie seiner Geliebten zu geben. Was ist da schon ein Armband? Mit dem Armband komme ich klar. Ich habe mich vor einem Papiertaschentuch gefürchtet, das mir aus dem Ärmel gerutscht ist. Dafür hätte es keine Erklärung gegeben.
    Die Polizei hat also den Kalender. Es gibt kein Zurück.
    Jack redet weiter. Er sagt was von wegen, er wünschte, ich hätte früher angerufen, er wäre außer sich gewesen vor Sorge.
    »Ich war auch außer mir«, sage ich.
    Ich lehne mich an die Mauer neben der Allee. Ich schaue hinauf in die Bäume. Verändern Menschen sich? Ich glaube schon. Philip ist nicht mehr derselbe. Es macht es leichter, das zu denken. Und ich muss mich auch verändern. Ich muss nach Hause. Viel Zeit habe ich nicht. Ich muss jetzt an Millie denken.

    Philip ist noch in der Badewanne. Er ist in den gähnenden Tiefen des Schlafs versunken – der Jetlag, das Deep-Relax-Badeöl, das Antihistaminikum in seinem Whisky. Das Glas funkelt unter der Badewanne. Es ist ihm wohl aus der Hand gerutscht. Auf der Badematte schmilzt ein Eiswürfel. Ich hoffe, er hat ihn bis zum letzten Tropfen ausgetrunken. Als wir uns vorhin unterhalten haben, wäre es besser gewesen, wenn er nicht so egoistisch gewesen wäre und mehr an die arme Ania gedacht hätte. Die ganzen Entschuldigungen, die Schuldzuweisungen, das hat mir nicht gefallen. Er hatte Glück, sie zu haben. Das weiß ich jetzt. Sie hatte mehr verdient. Wir beide hatten mehr verdient. Doch ich will nicht, dass es wehtut. Ich will nicht, dass er Schmerzen hat.
    Ich trage Handschuhe. Meine Hände zittern so sehr, dass ich kaum die Klinge halten kann. Ein senkrechter Schnitt, das weiß ich von Dr.   Janey aus Mornin’ All . Ich packe ein Handgelenk, um das Zittern zu stoppen, und es funktioniert. Sobald ich den ersten Schnitt gemacht habe, ist es leichter. Auf dem Boden ist kaum ein Spritzer.
    Selbstmord. »Davon kriegt man in diesem Job viele zu sehen«, hat PC Morrow gesagt.
    Ich rolle mich im Bad auf dem Boden zusammen und schlinge die Arme um die Knie. Ich weine, so leise ich kann. Ich spüre das Blut durch meine Adern pochen. Dies ist schlimmer, viel schlimmer, als ich mir vorgestellt hatte. Ich hätte alles getan, um ihn zu behalten. Ich habe alles getan. Doch es war nicht genug. In einer Minute ziehe ich seine Asics aus. Der Heilige Christophorus wartet im Crosstrainer auf die
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