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Ich bin Nummer Vier

Ich bin Nummer Vier

Titel: Ich bin Nummer Vier
Autoren: Lore Pittacus
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den Dolch werfe, und mein Erbe steht mir jetzt nicht bei. Ich habe keine Wahl, ich muss angreifen.
    Zitternd hole ich Luft, spanne jeden schmerzenden Muskel an, den Schmerz der Erschöpfung, kein Zentimeter in meinem Körper, der nicht wehtut.
    »Nein!«, schreit Mark hinter mir.
    Ich stürze vor. Das Monster hat die Augen geschlossen, die Kiefer fest um Bernie Kosars Kehle geschlossen, das Mondlicht spiegelt sich in den Blutpfützen ringsherum. Noch ein paar Meter. Sowie ich springe, öffnet die Bestie die gelben Augen, die sich zornig verdrehen, sobald sie sich auf mich konzentrieren. Ich segle durch die Luft auf die Kämpfenden zu, den Dolch in beiden Händen hoch über meinem Kopf, wie in einem heroischen Traum, aus dem ich nie wieder aufwachen will. Das Monster lässt Bernie Kosars Kehle los und will auf mich los, aber die Klinge des Dolchs glüht erwartungsvoll und ich stoße sie tief in sein Auge. Sofort tritt eine schlickige Flüssigkeit aus. Das Biest stößt einen markerschütternden Schrei aus, der bestimmt Tote wecken könnte.
    Ich falle auf den Rücken, hebe den Kopf und sehe, wie das Monster auf mich zutappt. Dabei versucht es vergeblich, den Störenfried aus seinem Auge zu ziehen, doch seine Hände sind zu groß für den kleinen Dolch. Ich werde wohl nie verstehen, wie die Waffen der Mogadori funktionieren, denn jetzt zeigt sich Nachtschwärze wie eine wirbelähnliche Rauchwolke in den Augen des Monsters.
    Es hört auf zu schreien, die Wolke dringt nun wohl ins Gehirn und der Dolch wird mitgezogen. Die Arme der Bestie fallen schlaff an den Seiten herunter, ein Zittern befällt die Hände, das bald den ganzen massigen Körper beben lässt. Als diese Zuckungen aufhören, krümmt sich das Monster vornüber und fällt dann zu Boden, den Rücken an den Bäumen. Obwohl essitzt, ragt es auch jetzt noch mindestens sieben Meter hoch über mir auf. Alles ist still, wie in gespannter Erwartung, was geschehen wird. Einmal wird ein Gewehr so nah abgefeuert, dass der Schuss mir noch nach Sekunden in den Ohren hallt. Das Monster macht einen tiefen Atemzug und hält inne, als würde es meditieren. Plötzlich explodiert sein Kopf und verwandelt sich rasch in Asche und Staub.
    In den Wäldern wird es ruhig. Ich schaue zu Bernie Kosar hinüber, der immer noch bewegungslos und mit geschlossenen Augen auf der Seite liegt. Ich vermag nicht zu sagen, ob er tot oder lebendig ist. Während ich ihn betrachte, verwandelt er sich wieder: Er schrumpft zu seiner gewohnten Größe, bleibt aber immer noch leblos. In der Nähe rascheln Blätter, Zweige knacken.
    Mit letzter Kraft hebe ich den Kopf ein wenig über die Erde, öffne die Augen und erwarte im nächtlichen Dunkel Mark James zu sehen. Aber nicht er steht da über mir. Ich halte den Atem an. Eine große, im Mondlicht nicht deutlich erkennbare Gestalt macht einen Schritt auf mich zu. Und meine Augen weiten sich vor Erwartung und Angst zugleich.

33
    Das neblige Bild wird schärfer. Durch Erschöpfung, Schmerz und Angst dringt große Erleichterung. Henri! Er wirft das Gewehr in die Büsche und kniet sich neben mich. Sein Gesicht ist blutbeschmiert, Hemd und Jeans sind in Fetzen, Schnitte ziehen sich über beide Arme und seinen Hals, seine Augen wirken verängstigt von dem, was er in meinen zu lesen glaubt.
    »Ist es vorbei?«, frage ich.
    »Schhhh! Hat dich einer ihrer Dolche getroffen?«
    »In den Rücken.«
    Er schließt die Augen, schüttelt den Kopf, greift in die Tasche und holt einen der kleinen runden Steine hervor, die ich ihn zuvor im Hauswirtschaftsraum aus dem lorienischen Kasten habe herausnehmen sehen. Seine Hände zittern.
    »Mach den Mund auf.« Er legt mir den Stein hinein. »Be halte ihn unter der Zunge. Schluck ihn nicht herunter.« Er hebt mich auf und stützt mich weiter mit einem Arm, während ich ins Gleichgewicht komme. Mein Gesicht fühlt sich warm an, der Stein wirkt belebend. Die Glieder tun immer noch weh vor Erschöpfung, aber jetzt fühle ich mich kräftig genug, sie einzusetzen.
    »Woraus besteht dieser Stein?«
    »Aus lorienischem Salz. Er verlangsamt und betäubt die Wirkung des Dolchs«, antwortet Henri. »Du spürst einen Energieschub, aber er hält nicht lange vor. Wir müssen so schnell wie möglich zur Schule zurück.«
    Der Stein ist kalt in meinem Mund und schmeckt nicht nach Salz – er schmeckt nach gar nichts. Ich schaue an mir hinunter und bürste mit den Händen die Aschereste der gefallenen Bestie ab. »Wie geht es den
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