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Ich bin Nummer Vier

Ich bin Nummer Vier

Titel: Ich bin Nummer Vier
Autoren: Lore Pittacus
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Zähne des Monsters inmeinem Nacken, jede Sekunde können sie fallen, seine Klauen mich in Stücke reißen. Ich ziehe mich voran, bis ich nicht mehr kann und lehne mich mit dem Rücken an eine Eiche.
    Die Bestie steht mitten auf der Lichtung, ungefähr zehn Meter von mir entfernt. Zum ersten Mal betrachte ich die unheimliche Gestalt in der dunklen, kalten Nacht genauer. Sie ist größer und breiter als das Monster an der Schule, bestimmt zwölf Meter hoch, aufrecht auf den beiden Hinterbeinen. Dicke graue Haut spannt sich über prallen Muskeln. Kein Hals, der Kopf fällt nach hinten ab, sodass der Unterkiefer weiter vorsteht als der Oberkiefer. Ein Satz Fänge deutet zum Himmel, vom anderen tropfen Blut und Speichel auf die Erde. Auch wenn das Monster aufrecht steht, enden seine langen, dicken Arme etwa einen halben Meter über dem Boden und vermitteln den Eindruck, es würde sich leicht nach vorne lehnen. Es hat gelbe Augen, und runde Scheiben an den Kopfseiten pulsieren mit dem Herzschlag – immerhin ein Beweis, dass es ein Herz hat.
    Es beugt sich vor und legt die linke Hand auf den Boden, eine Hand mit kurzen Wurstfingern, die Klauen erinnern an einen Raubvogel und können sicherlich alles, was sie berühren, zerreißen. Die Bestie schnuppert an mir und brüllt ohrenbetäubend. Sie öffnet das Maul und zeigt etwa fünfzig scharfe Zähne. Die freie Hand greift vor und zersplittert zehn, fünfzehn Bäume in der Nähe.
    Kein Rennen mehr, kein Kämpfen. Blut von der Dolchwunde läuft mir über den Rücken, Hände und Beine zittern. Der Dolch steckt noch in meinem Hosenbund, aber wozu nach ihm greifen? Was kann eine Klinge von zehn Zentimetern gegen ein zwölf Meter großes Monster schon ausrichten? Sie wäre so wirksam wie ein Splitter, würde das Untier nur noch wütender machen. Vielleicht verblute ich, bevor es mich tötet und auffrisst, das ist meine einzige Hoffnung.
    Ich schließe die Augen und akzeptiere den Tod. Meine Lichter sind aus. Ich will nicht sehen, was geschieht.
    Aber dann nehme ich eine Bewegung hinter mir wahr und öffne nun doch die Augen. Einer der Mogadori will vielleicht mehr sehen und kommt näher. Aber an diesem tapsig-hüpfenden Laufen ist etwas Bekanntes, genau wie in diesem Hecheln. Und dann kommt er auf die Lichtung.
    Bernie Kosar.
    Ich lächele, doch mein Lächeln erstirbt sehr schnell wieder. Wenn ich verloren bin, muss er nicht auch noch sterben.
Bernie Kosar, du kannst hier nicht bleiben. Du musst fort und du musst laufen wie der Wind, so weit weg wie möglich. Lauf nach Hause, lauf, lauf, Bernie Kosar!
    Er sieht mich an, als er näher kommt.
Ich bin hier
, scheint er zu sagen.
Ich bin hier und ich werde bei dir bleiben.
    »Nein!«, sage ich laut.
    Er leckt beruhigend meine Hand und sieht mich mit seinen großen braunen Augen an.
Lauf weg, John!
, höre ich.
Krieche, wenn du musst, aber hau jetzt ab.
    Der Blutverlust hat offenbar zu Wahnvorstellungen geführt. Bernie scheint mit mir zu kommunizieren. Ist Bernie eigentlich tatsächlich hier oder bilde ich mir auch das ein?
    Er steht vor mir wie ein Wächter. Er fängt an zu knurren, zuerst leise, dann wächst sein Knurren zu einem wilden Gebrüll, dem des Monsters ebenbürtig. Die Bestie fixiert Bernie Kosar mit einem Blick, der töten oder wenigstens wehrlos machen soll. Bernie Kosars Rückenfell sträubt sich, er legt die Ohren an. Seine Treue, sein Mut lassen mir die Tränen in die Augen schießen. Er ist hundertmal kleiner als die Bestie, doch er hält ihr stand, zum Kampf bereit. Ein schneller Schlag von dem Monster – und alles wäre vorbei.
    Ich strecke die Hand nach Bernie Kosar aus. Wenn ich nuraufstehen und mit ihm weglaufen könnte! Er knurrt so heftig, dass er am ganzen Körper, mit jedem einzelnen Haar seines Fells zittert.
    Und dann fängt Bernie Kosar an zu wachsen.

32
    Und jetzt erst, nach all der Zeit, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Die morgendlichen Läufe, wenn Bernie Kosar bei meinem Tempo nicht mithalten konnte, im Wald verschwand und Sekunden später vor mir auftauchte … Sechs hatte versucht, es mir zu sagen. Sechs wusste nach einem Blick auf ihn Bescheid. Bei diesen Läufen verschwand er im Wald, um sich in einen Vogel zu verwandeln. Wie er jeden Morgen hinauslief, mit der Nase auf dem Boden den Hof absuchte. Um mich und Henri zu beschützen, auf Anzeichen der Mogadori zu achten. Der Gecko in Florida. Der Gecko, der mich von der Wand aus beim Frühstücken beobachtete – wie lange war er bei
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