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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott
Autoren: Giorgio Faletti
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verrieten, dass es eine Stadt wie jede andere war, die keineswegs mit ihrer Namensvetterin in Italien konkurrieren wollte. Eines Abends hatte er mit Karen auf seinem Bett gelegen und einen Reiseprospekt angesehen. Fotos, Augen, Hände, die begierig die Seiten umblätterten.
    Frankreich, Spanien, Italien …
    Ausgerechnet mit Florence, dem italienischen Florence, hatten sie sich länger beschäftigt. Karen hatte ihm von diesem Ort Dinge erzählt, von denen er nichts gewusst hatte, und Träume geschürt, von denen er nicht geglaubt hatte, dass man sie träumen kann. Das war zu einer Zeit gewesen, als er noch die Illusion gehabt hatte, dass es die Hoffnung umsonst gibt, bevor er dann hatte lernen müssen, dass sie dich eine Menge kosten kann.
    Das Leben bisweilen.
    Die Ironie des Schicksals, das sehr erfinderisch ist, hatte ihn letzten Endes tatsächlich in ein Florence geführt. Doch nichts war, wie es hätte sein sollen. Bens Worte kamen ihm in den Sinn, die Worte des Mannes, der in seinem Leben einem Vater noch am nächsten gekommen war.
    Die Zeit ist ein Schiffbruch, und nur, wer es wirklich wert ist, kommt wieder an die Oberfläche …
    Was ihn betraf, hatte er sich an ein lächerliches Floß geklammert und war mühsam in der Wirklichkeit gelandet, nachdem er mit seiner kleinen persönlichen Utopie untergegangen war.
    Der Fahrer lenkte den Bus sanft in den Busbahnhof hinein und hielt mit einem kleinen Ruck neben einem rostzerfressenen Unterstand mit verblasster Aufschrift.
    Er blieb auf seinem Platz sitzen und wartete, bis alle anderen ausgestiegen waren. Eine Frau offensichtlich mexikanischer Herkunft versuchte, sich mit einem schlafenden Kind auf dem Arm und dem Koffer in der freien Hand durch den engen Gang zu drängen. Niemand machte Anstalten, ihr zu helfen. Der junge Mann auf der rechten Seite nahm seine Tasche und konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihm noch einen letzten Blick zuzuwerfen.
    Da er erst gegen Abend in Chillicothe ankommen wollte, beschloss er, sich eine Pause zu gönnen, bevor er die Grenze überschritt. Florence war so gut wie jeder andere Ort, also war es der richtige. Von hier aus würde er versuchen, sein Ziel per Anhalter zu erreichen, ungeachtet der Schwierigkeiten, die dieser Entschluss vermutlich mit sich bringen würde. Kaum jemand würde ihn wohl so ohne weiteres in sein Auto einsteigen lassen.
    Für gewöhnlich glauben Menschen, dass sich körperliche Verunstaltung direkt proportional zu einer gewissen Bösartigkeit verhält. Ohne sich klarzumachen, dass das Böse verführerisch und gewinnend sein muss, wenn es überleben will. Es muss die Welt mit dem Versprechen von Schönheit und dem Vorboten eines Lächelns anziehen. Er dagegen fühlte sich eher wie das letzte noch fehlende Bildchen für ein Monsteralbum.
    Der Fahrer warf einen Blick in den Rückspiegel, in dem er den Fahrgastraum des Busses überblicken konnte, und drehte dann sofort den Kopf weg. Er fragte sich nicht, ob das eine Aufforderung zum Aussteigen sein sollte oder ob der Mann sich nur vergewissern wollte, dass das, was er gesehen hatte, der Wirklichkeit entsprach. Jedenfalls musste er etwas tun. Er stand auf, holte seinen Seesack aus dem Gepäcknetz und warf ihn sich über die Schulter, wobei er aufpasste, dass er den Stoffriemen mit der behandschuhten Hand ergriff, um Abschürfungen zu vermeiden.
    Als er durch den Gang schritt, widmete sich der Fahrer, der in erstaunlicher Weise Sandy Koufax, dem Pitcher der Dodgers ähnelte, mit übertriebener Aufmerksamkeit seinem Armaturenbrett.
    Er stieg die wenigen, unendlichen Stufen hinunter und stand wieder einmal alleine auf einem Platz, unter einer Sonne, die überall auf der Welt dieselbe war.
    Er sah sich um.
    Auf der anderen Seite des von der Straße durchschnittenen Platzes war eine GULF-Tankstelle mit Bar, die sich einen Parkplatz mit dem Open Inn teilte. Das Motel sah ziemlich heruntergekommen aus und versprach freie Zimmer und süße Träume.
    Er rückte den Seesack auf dem Rücken zurecht und ging hinüber, bereit, sich ein wenig Gastfreundschaft zu erkaufen, ohne über den Preis zu verhandeln.
    Für die Dauer dieser Geschichte würde er wieder Bürger von Florence, Kentucky, sein.

3
    Entgegen dem ersten Eindruck war das Motel eine gewöhnliche günstige Touristenunterkunft. Überall der Anstrich der Notwendigkeit ohne jede Freude am Ästhetischen. An der Rezeption saß ein kleiner, dicklicher Mann mit einer Neigung zu vorzeitiger Glatzenbildung, die er mit
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