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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott
Autoren: Giorgio Faletti
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Veröffentlichung durch eine Verfügung verhindert …«
    Die sonore Stimme des Sprechers der Daily News, den der eingeblendete Name als Alfred Lindsay auswies, riss ihn aus einem wenig erholsamen Dämmerzustand. Der Ton des Fernsehers war von selbst lauter geworden, als hätte er entschieden, dass diese Nachricht wichtig sei. Immer noch ging es um den Krieg, den alle so gerne unter den Teppich kehren würden, der aber immer wieder überall hervorquoll.
    Er kannte die Geschichte.
    Die Pentagon-Papiere waren das Ergebnis einer Untersuchung der Gründe für die Intervention der Vereinigten Staaten in Vietnam. Die Studie war von Verteidigungsminister McNamara in Auftrag gegeben und von einer Gruppe von sechsunddreißig Experten – zivilen und militärischen – durchgeführt worden. Unter anderem waren Regierungsakten seit der Truman-Ära gesichtet worden. Irgendwann hatten Journalisten dann die Nachricht aus dem Hut gezaubert, dass die Administration Johnson die Öffentlichkeit ganz bewusst über den Umgang mit dem Konflikt belogen habe. Wenige Tage zuvor hatte die New York Times, die irgendwie in den Besitz des Berichts gekommen war, mit seiner Veröffentlichung begonnen. Mit leicht absehbaren Folgen.
    Am Ende würden wie immer nur Worte bleiben, die, gesprochen oder geschrieben, immer dasselbe Gewicht hatten.
    Was wussten diese Leute schon vom Krieg? Hatten sie eine Ahnung, was es bedeutete, Tausende von Meilen von zu Hause entfernt gegen einen unsichtbaren und äußerst willensstarken Feind zu kämpfen? Einen Feind, von dem niemand geglaubt hatte, dass er für einen so geringen Erfolg einen so hohen Preis bezahlen würde. Ein Feind, dem sie im Grunde ihres Herzens Respekt zollten, auch wenn keiner jemals den Mut haben würde, dies zuzugeben.
    Selbst sechsunddreißigtausend sesselfurzende Experten, egal ob zivile oder militärische, hätten nichts verstehen können, weil sie nie den Geruch von Napalm oder Agent Orange – das Mittel, das massenhaft eingesetzt wurde, um Wälder zu entlauben und so den Feind aufspüren zu können – in der Nase hatten. Sie hatten weder das Rattattatata der Maschinengewehre gehört noch das dumpfe Geräusch, wenn ein Projektil in einen Helm einschlug, noch die Schmerzensschreie der Verletzten, die so laut waren, dass sie bis nach Washington zu hallen schienen und doch kaum bis zu den Krankenträgern vordrangen.
    Viel Glück, Wendell …
    Er schob das Laken zurück und setzte sich auf.
    » Leck mich doch am Arsch, Colonel Lensky. Du und deine Scheißsyndrome.«
    Er hatte jetzt alles hinter sich.
    Chillicothe, Karen, den Krieg, das Krankenhaus.
    Der Fluss folgte seinem Lauf, und nur das Ufer bewahrte die Erinnerung an das vorbeigeflossene Wasser.
    Mit nackten Füßen ging er zum Fernseher und schaltete ihn aus. Das vertrauenerweckende Gesicht des Sprechers wurde vom Dunkel eingesogen und schrumpfte zu einem leuchtenden Fleck in der Bildschirmmitte zusammen. Wie alle Illusionen blieb er noch einen Moment sichtbar und verschwand dann endgültig.

4
    » Bist du sicher, dass ich dich nicht bis in die Stadt mitnehmen soll?«
    » Nein, hier ist es ganz prima. Vielen Dank, Mr. Terrance.«
    Er öffnete die Beifahrertür. Der Mann hinter dem Steuer lächelte ihn aus seinem braun gebrannten Gesicht an und zog die Augenbrauen hoch. Im Licht des Armaturenbretts sah er aus wie eine Figur von Don Martin.
    » Vielen Dank, Lukas, wollte ich sagen.«
    Der Mann reckte den Daumen hoch.
    » So ist es recht.«
    Sie gaben einander die Hand. Dann zog er seinen Seesack hinter dem Sitz hervor, stieg aus und warf die Tür zu. Der Mann hinter dem Steuer lehnte sich zum offenen Fenster hinaus.
    » Was auch immer du suchst, ich wünsche dir, dass du es findest. Oder dass es dich findet.«
    Die letzten Worte wurden vom Röhren des Auspuffs übertönt. Rasch war das Fahrzeug nur noch ein fernes Motorengeräusch, der Benzingeruch verlor sich im Wind, und die Rücklichter wurden von der fortgeschrittenen Dunkelheit verschluckt.
    Er schob sich den Seesack auf dem Rücken zurecht und ging los. Bei jedem Schritt witterte er wie ein Tier die Nähe der vertrauten Orte und ihre Gerüche. Er verspürte jedoch weder Aufregung, noch Freude bei dieser Heimkehr.
    Nur Entschlossenheit.
    Wenige Stunden zuvor hatte er im Schrank seines Motelzimmers eine leere Schuhschachtel gefunden, die ein Gast dort vergessen haben musste. Der Deckel trug das Markenzeichen der Famous Flag Shoes, die man im Versandhandel bekam. Dass der Karton sich
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