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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein
Autoren: Tanja Steinlechner
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stellte mich wie üblich dorthin und stieg aus. Vor der Klingel zögerte ich. Ich hatte noch den Klang ihrer Stimme im Ohr, als sie mich angeschrieen hatte, sah ihr verzerrtes Gesicht. Sie konnte das nicht ernst gemeint haben. Nicht nach dem, was in der letzten Nacht alles geschehen war. Wir würden darüber reden und wir würden uns küssen, und vielleicht würden wir heute auch eine Tour in meinem Auto machen, wenn wir erst mal alles geklärt hätten.
    Der Likör wurde langsam warm. Jeanne mochte keinen warmen Alkohol. Meine Chancen standen besser, wenn ich raufging, solange er einigermaßen kühl war.
    Ich schnaufte durch und drückte die Klingel.
    Nichts passierte.
    Ich klingelte noch mal und wartete.
    War sie immer noch wütend auf mich? Wollte sie mich nicht reinlassen? Ich versuchte zu schlucken. Mein Magen zog sich zusammen.
    Gerade, als ich auf die Straße treten und einen Blick auf ihre Fenster werfen wollte, packten mich Hände. Ich wurde zurückgerissen, an die Hauswand geworfen, meine Arme neben meinen Kopf gepresst, Handflächen an die Mauer. Ein Fuß stand zwischen meinen Füßen. Stimmen kommandierten. Der Geruch von Likör auf Asphalt stieg mir in die Nase, aus dem Augenwinkel sah ich die Pfefferminzschokolade auf der Erde liegen.
    Das Schächtelchen mit dem Armband bohrte sich schmerzhaft in meine Brust. Als ich mich umdrehen wollte, drückte eine Hand mein Gesicht an die Hauswand und eine Männerstimme befahl: „Nicht bewegen!“
    Eine zweite Stimme fragte: „Das ist er also?“
    „Ja“, erwiderte die erste, „die Schlimmsten sehen immer am unschuldigsten aus.“
    Langsam wurde mir klar, dass die Hände, die mich an die Mauer pressten und meine Beine abtasteten, in schwarzen Lederjacken steckten. Schwarze Lederjacken mit grünen Aufnähern.
    „Wo hat er die Autoschlüssel?“, fragte eine neue Stimme.
    Eine Hand ließ meinen Arm los und zog den Schlüsselbund aus meiner Gesäßtasche.
    „Fang, Klaus.“
    Schlüssel klirrten, dann hörte ich, wie mein Kofferraum aufgeschlossen wurde.
    Ich versuchte wieder zu schlucken und merkte, dass ich den Atem angehalten hatte. Hastig holte ich Luft und versuchte meine Frage zu formulieren. „Was ... Was soll das hier?“
    Ich wurde ignoriert. Meine Arme begannen zu erlahmen.
    Ich hörte, wie in meinem Auto gewühlt wurde. „Lothar? Komm mal her und bring ein paar Tütchen mit.“
    Schritte auf dem Pflaster. Dann ein leiser Pfiff. „Ich wette ein Bier bei Frank, dass es das ist, was ich glaube. Auch wenn’s nur Spuren sind. Das reicht. Der Typ bei Power-Auto hatte Recht. Und die alte Tante aus dem Haus hier auch. Obwohl, wenn ich ihn mir so ansehe –, wirkt gar nicht wie einer, der Frauen verprügelt. Und erst recht nicht wie ein Drogenkurier. Was soll’s, rein mit ihm.“
    Meine Arme wurden auf meinen Rücken gedreht, kalte Ringe schlossen sich um meine Handgelenke. Es klickte wie im Fernsehen. Ich drehte mich um und sah, wie sich die Polizisten mit Bürsten und Tüten an meinem Kofferraum zu schaffen machten. Bevor sie mich in ihren Wagen schoben und die Tür zuknallten, konnte ich nach oben zu Jeannes Fenster sehen. Sie waren leer. Keine Gardinen. Keine kleinen Lämpchen. Und auch der dicke, rote Buddha war nicht zu sehen.
    Mein Gesicht ist schon wieder nass. Die Taschentücher sind alle. Ich ziehe die Nase hoch, reibe mir mit dem Ärmel den Rotz ab. Jeanne. Ihr Lachen. Ihr Mund. Die Stimme. Ich will ihr Gesicht sehen, nur noch einmal. Ich will sie nichts fragen, ich will nichts wissen, ich will sie nur noch einmal ansehen können. Aber alles, was ich sehe, egal wie sehr ich an Jeanne denke, ist das breite Grinsen des dicken, roten Buddhas.

Mord
Rainer Wedler
    Das Dorf haben sie zur Festung ausgebaut. Zwei Morde nach demselben Muster in zwei Monaten. Die Bauern haben einen elektrischen Viehzaun um die Gemarkung gezogen, der Elektriker hat, und darauf ist er richtig stolz, eine Alarmanlage dazu gebaut, die erst bei einer mittelstarken Berührung anspricht. Damit soll vermieden werden, dass ein kleiner Ast oder ein harmloser Vogel schon Alarm auslöst und die Stimmung noch gereizter macht. Wenn es aber losgeht, dann macht es einen Heidenlärm, von draußen kann das Schwein nicht kommen. Jeder weiß, was das heißen soll. Keiner traut mehr dem anderen. Der Stammtisch im „Ochsen“, im Dorf heißt die wichtigste Wirtschaft immer „Zum Ochsen“, manchmal auch „Zum Goldenen Ochsen“, ohne dass ein Grund für diese semantische Aufwertung zu
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