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Ich Bin Ein Schwein

Ich Bin Ein Schwein

Titel: Ich Bin Ein Schwein
Autoren: Tanja Steinlechner
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erkennen wäre, der Stammtisch im „Ochsen“ also steht verwaist und dünstet das Bier aus, das dort über Jahre verschüttet und vom Holz aufgesogen worden ist.
    Schon am späten Nachmittag sind die Fensterläden geschlossen, die Rolläden heruntergelassen, die Türen verriegelt. Die Kinder werden vor den Fernseher gesetzt, damit sie nicht quengeln, ‚wir wollen aber draußen spielen‘, Dorfkinder machen so was noch. Wenn es dann dunkel wird, gehen je vier Mann auf Patrouille am Schutzzaun. Der Bürgermeister kann sich nicht retten, jeder will möglichst oft zur Wache eingeteilt werden, weil er nur dann ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen kann, wenn es wieder passiert. Aber man sollte aufpassen: Wer sich zu sehr vordrängt, macht sich verdächtig. Der Bürgermeister hat den besten Überblick, er weiß, dass der Jungbauer Scheible ein bisschen übereifrig ist, nein, der Johannes doch nicht, der hat doch erst geheiratet, seine Agnes ist schon schwanger. Trotzdem, irgendwie kommt er nicht nur dem Bürgermeister gehetzt vor. Der Metzgermeister Müller hat vorgestern so nebenbei zu ihm gesagt: „Also, Hermann, der Johannes gefällt mir gar nicht, der sieht so gehetzt aus.“ Als der Bürgermeister nicht darauf eingegangen ist, hat der Metzger einfach weitergeredet, „Bestimmt ist er aufgeregt, weil seine Agnes schwanger ist, die jungen Leut sind ja heutzutag so ängstlich, stimmt´s, Hermann?“ Da endlich hat der Bürgermeister genickt.
    Der Geselle vom Malermeister Erhard, der hängt noch lange nach seiner Wache auf dem Rathaus rum, das jetzt Tag und Nacht geöffnet ist, damit man sofort auf eine mögliche Gefahr reagieren kann. Der junge Mann raucht eine Zigarette nach der anderen, haut die Kippen aus dem Handgelenk auf den Boden und stampft dann darauf herum. Der Bürgermeister hat ihm schon zweimal gesagt: „Thomas, lass das, nachher machst du mir das aber weg.“ Der hat ihn nur groß angeguckt und nichts gesagt, keine Miene hat er verzogen. Später hat er dann die Kippen mit einem Taschentuch zusammengewischt und in den Mülleimer geworfen. Bevor er den Deckel fallengelassen hat, hat er den Rotz geräuschvoll in den Rachen gezogen und ihn dann mit einer heftigen Bewegung des Kopfes hineingespuckt.
    „Lass das, ich will das nicht mehr so.“ Dabei hat sie ihm die Hände von ihrem nackten Hintern weggeschoben. Der Schirrer Frank hat´s wieder nicht lassen können, seiner Frau unters Nachthemd zu fahren. „Was ist bloß los mit dir?“, fragt er und spielt den Beleidigten. Natürlich weiß er, dass das mit der Mordgeschichte zu tun hat, aber soll er deshalb auf den Blick ins Tal verzichten, wenn er sie von hinten nimmt? „Überhaupt“, meint die Frau Bäckermeister, „wir sollten´s gar nicht mehr machen, bis der Fall geklärt ist.“ Dem Schirrer fährt´s in die Knochen und auch sonst überall hin. Er hört da etwas heraus, das er nicht wahrhaben will, das aber doch da ist, das sich zwischen sie geschoben hat seit dem zweiten Mord. Danach war es nämlich durchgesickert. Der Täter, und niemand zweifelt daran, dass es ein Täter sein musste, der Mörder also hatte beiden Frauen die Hosen heruntergezogen und dann mit roter Farbe links ein großes N und rechts ein großes O auf das Gesäß gesprüht. Da hat dann das große Rätselraten eingesetzt. Die Jungen haben gesagt, der hat seine
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gesetzt. Irgendwie scheint da so etwas wie Respekt durch für diese Extrempositionierung. Die Polizei hat es ähnlich gesehen: Das sind die Initialen des Täters. Pech für Norbert Ostler und Nikolaus Ohnemus, genannt
Nick the Pig
. Glück für die Polizei, weil es kaum Vornamen mit N gibt. Auf die Idee, der Täter könnte von rechts nach links gesprayt haben, ist keiner gekommen. Die beiden NOs aus dem Dorf mussten sich einem strengen Verhör unterwerfen. Ostler war zu den fraglichen Zeiten auf Montage in Norddeutschland, das ist mehrfach belegt und zweifelsfrei. Ohnemus musste nicht viel sagen, der dicke alte Mann kam auf zwei Stöcken, begleitet von seiner schon angejahrten Tochter, und wies überflüssigerweise das Attest eines Orthopäden aus der nächsten Stadt vor, das ihm eine starke und irreversible Gehbehinderung bestätigte.
    Polizeihauptkommissar Haller leitet die Ermittlungen. Jeden Tag muss er seinem Vorgesetzten über die Fortschritte, die es nicht gibt, Bericht erstatten.
    „Das ganze Dorf ist in einer Psychose, ich komme nicht weiter.“
    „Aber eine Idee müssen Sie doch haben?“ Der Chef
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