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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder
Autoren: Brigitte Pons
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Eins davon drückte sie Mischa in die Hand.
    »Trink was und hör auf zu nörgeln. Dann sind hier eben ein paar Snobs, okay. Aber nicht nur – wir sind schließlich auch da.«
    »Unter Zwang.«
    »Und wir sind auch nicht die einzigen in Jeans.«
    Sie deutete zum anderen Ende der Halle, dann stieß ihr Glas klirrend gegen seins. »Austrinken!«, kommandierte sie, schnappte Mischas Arm und zog ihn mit sich. »Auf in den Kampf!«
    Als Tobias Alexandra bemerkte, verabschiedete er sich von seinem Gesprächspartner und kam ihr entgegen. Blicke folgten ihm, es wurde eifrig getuschelt. Die Menge teilte sich ganz automatisch. Alexandra stutzte und schüttelte leicht den Kopf. Tobias führte mit den Händen eine teilende Geste aus – wie Moses. Mit schelmischem Lächeln strich er die Haarsträhne zurecht und zwinkerte ihr zu. Unwiderstehlich. Als er Mischa an ihrer Seite entdeckte, hob er überrascht die Augenbrauen. Die Männer reichten einander die Hand, distanziert, aber höflich. Tobias küsste Alexandra auf die Wange und wieder klickte der Auslöser einer Kamera.
    »Wieso hast du deinen Bodyguard mitgebracht?«, flüsterte er ihr zu, als die offizielle Eröffnungsrede begann.
    Wenig später schaute Tobias Stockmann Mischa unbefangen ins Gesicht.
    »Sie mögen mich nicht«, stellte er fest. »Wieso?«
    Mischa zuckte die Schultern. Irgendwo im Hintergrund fanden seine Augen Alexandra, die sich unter dem üblichen Vorwand aus dem Staub gemacht hatte und sich jetzt lebhaft mit einer der Künstlerinnen unterhielt.
    »Es muss doch einen Grund geben«, hakte Stockmann nach.
    »Sie sind ein Mörder.«
    Stockmann lachte. »Sie waren mit Alexandra auf der Lesung, ich erinnere mich. Nehmen Sie immer alles so ernst?«
    »Nehmen Sie immer alles so leicht?«
    »Ja. In der Tat. Das Leben macht mir Spaß. Es ist kurz und ich gebe mir Mühe, das Bestmögliche für mich herauszuholen. Ist das verwerflich?«
    »Wenn es auf Kosten anderer geht.«
    »Sie sind ein zutiefst moralischer Mensch, habe ich recht? Moral langweilt mich.« Herausfordernd schob er den Unterkiefer leicht nach vorn und zeigte die Zähne. »Der Verteidiger von Recht und Ordnung. Geben Sie es zu, auch Sie zieht die Unmoral stärker an als die Moral, sonst wären Sie nicht Polizist, sondern Klosterbruder geworden. Die Abgründe der menschlichen Seele oder dessen, was die meisten Menschen für eine Seele halten. Kommen Sie, reden Sie mit mir! Monologe langweilen mich fast genauso sehr wie Moral. Sie haben unserer Alexandra doch versprochen, es eine Weile mit mir auszuhalten, oder? Freiwillig sind Sie sicher nicht hier.«
    Mischa schob beide Hände in die Hosentaschen. Es ärgerte ihn, dass Stockmann die Situation durchschaute. Alexandra machte keine Anstalten, ihr Gespräch zu beenden. Sie hatte ihn hereingelegt. Aus einem der anderen Räume drang der winselnde Seufzer eines gequälten Saxophons und verstummte. Dann nach kurzer Pause hörte man das Instrument wieder. Klar und lebendig, melancholisch. Ausgerechnet ein Bill-Withers-Song. Dieser eine, den er besonders mochte. Der ihn gerade deshalb jetzt störte. Textfetzen kamen ihm in den Sinn.
    Good things might come to those who wait.
    Und ausgerechnet dieses Instrument, mit seinem typischen Klang, der sich leidend und leidenschaftlich emporschwang, ihn jedes Mal gegen seinen Willen mitriss.
    Not to those who wait to late. We got to go for all we know.
    Er heftete die Augen auf sein Gegenüber. »Dieser erste Mord, die Sache mit der Brücke, das geschah hier in Frankfurt?«
    »Richtig.«
    Das Saxophonwimmern bohrte sich in seinen Magen, störte die Konzentration.
    We can make it if we try.
    »In einer dunklen Winternacht?«
    »Oh, wenn Sie sich bemüßigt sehen, nach dem Toten zu suchen: Es war nicht irgendeine Brücke; er fiel vom Eisernen Steg und möglicherweise war es helllichter Tag. Hat Alexandra Ihnen das nicht erzählt? Gelegentlich schwindele ich ein bisschen.«
    »Warum?«
    Stockmann lachte. »Warum? Warum nur. Weil es Spaß macht, alle an der Nase herumzuführen? Weil ich es ihm nicht zu leicht machen will.«
    »Wem?«
    Stockmann schüttelte geistesabwesend den Kopf. »Aber vielleicht lüge ich ja auch jetzt? Wer weiß!«
    »Wem wollen Sie es nicht zu leicht machen?«
    »Vielleicht war es sogar ein Akt der Gnade meinerseits, dass ich diese eine Stelle nicht exakt beschrieben habe. Keiner wird gern an seine Misserfolge erinnert. Dabei hatte ich ihn sogar gewarnt.«
    »Wen meinen Sie?«
    Aber wieder erhielt er
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