Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein
Autoren: Ravensburger
Vom Netzwerk:
den Schweiß von der Stirn.
    Judith drehte sich blitzschnell um und wollte davonlaufen, als sie umgerissen wurde. Sie schrie erneut, diesmal vor Schmerz, denn sie hatte sich die Knie am Asphalt aufgerissen.
    »Du hast ihn umgebracht!«, brachte sie unter Tränen hervor. »Du verdammtes Schwein hast ihn umgebracht!«
    Gabriel schwieg noch immer. Er saß rittlings auf ihr, suchte etwas in der Tasche seines Kapuzenpullis und grinste selbstzufrieden, als er mit den Zähnen die Schutzkappe von der Kanüle einer Spritze zog.
    Judith wehrte sich mit aller Kraft, die ihr die Verzweiflung verlieh. Sie schlug und strampelte und schrie – bis sieeinen Stich im Oberschenkel spürte. Dann spülte eine große, schwarze Woge die Welt ins Nichts.

    Als sie erwachte, lag sie in einem Bett. Betäubender Rosenduft stieg ihr in die Nase. Sie wollte sich aufrichten, als ein stechender Schmerz sich durch ihre Augen tief in ihren Kopf hineinbohrte.
    Sie stöhnte laut auf. Es fühlte sich an wie damals nach der Sommerparty, als sie zu viel von Niels’ schrecklicher Bowle getrunken hatte. Nur tausendmal schlimmer.
    Aber was war der stechende Kopfschmerz gegen Angst und Verwirrung? Wo war sie? Was genau war geschehen?
    Judith erinnerte sich daran, dass Bogdan sie abgeholt hatte. Mit dem Motorrad. Dass sie durch die Gegend gefahren waren.
    Cruisen. Bogdan hatte es Cruisen genannt.
    Der Wald. Die traurige Musik.
    Der Wagen, der mitten auf der Straße stand.
    Rot.
    Dunkles Rot.
    Bogdan war tot!
    Judith schluchzte. Sie fürchtete, in diesem Albtraum den Verstand zu verlieren. Da hörte sie auf einmal gedämpfte Musik. Chopin. »Trauermarsch«. Hatte sie früher mal auf dem Klavier gespielt.
    Sie wollte sich aufrichten, aber jede Bewegung tat ihr weh. Sie widerstand der Versuchung, um Hilfe zu rufen. Denn hier gab es keine, das war ihr klar. Mit ihrem Geschrei hätte sie nur Gabriels Triumph gekrönt.
    Bogdan war tot. So viel war sicher. Und das war ihre Schuld.
    Mit großer Mühe setzte sie sich auf die Bettkante, legte die Arme über die Beine und beugte keuchend den Kopf nach vorne. Erst jetzt sah sie, dass der Boden mit Blütenblättern übersät war. Sie hob eines davon auf, es war aus roter Seide und roch penetrant nach billigem Parfüm.
    Vorsichtig stand sie auf, taumelte aber sofort nach vorne und musste sich an der Wand abstützen. Ihr war speiübel. Der Schmerz hämmerte hinter ihren Augen. Sie schleppte sich zur Tür, obwohl sie darauf hätte wetten können, dass sie verschlossen war. Sie drückte die Klinke hinunter und – oh Wunder – die Tür öffnete sich.
    Die Flurwände waren schwarz gestrichen. Ungeöffnete Briefe lagen auf dem schmutzigen Boden verstreut. Der schmale Gang wurde notdürftig von mehreren schwachen Wandlampen erleuchtet. Egal wie leise sie auftrat – jeder ihrer Schritte erzeugte ein leises Knarzen auf dem abgewetzten Parkett.
    Am Ende des Flurs befand sich eine große Küche, von deren Decke eine altmodische Neonlampe hing, die ein unangenehmes, kühles Licht verströmte. Die Einrichtung bestand aus einem vierflammigen Gasherd, auf dem ein zerschrammter Emailletopf stand, einem uralten Kühlschrank mit Hebelgriff, einer Spülmaschine und einer Anrichte von der schon die weiße Farbe abblätterte. Alles wie aus der Zeit gefallen. Selbst das Röhrenradio auf dem kleinen Eckregal schien ein halbes Jahrhundert alt zu sein.
    Beherrscht wurde die Küche jedoch von einem großen Tisch, auf dem eine gelbe Plastikdecke mit blauem Blumenmuster ausgebreitet war. Auf einem Stuhl stand ein Korb mit Gemüse. Die welken Schalen von Kartoffeln, Sellerie und anderem Gemüse häuften sich auf einer Zeitung. Judith sah die Klinge eines kleinen Messers im schwachen Sonnenlicht glänzen, das durch das vergitterte, schmutzige Fenster über der fleckigen Spüle schien, in der sich verkrustete, übel riechende Pfannen, Töpfe und Schüsseln stapelten, über denen dicke Fliegen tanzten. Sie hatte schon die Hand nach dem Messer ausgestreckt, als sie hinter sich eine Stimme hörte.
    »Lass es liegen.« Gabriel stand mit zwei Flaschen Wasser in der Tür.
    Judith schnappte sich blitzschnell das Messer und hielt es ihm entgegen. »Komm mir nicht zu nahe«, zischte sie.
    Gabriel ließ sich von dieser Drohung nicht beeindrucken. Stattdessen stellte er seelenruhig die Flaschen auf den Tisch ab und holte zwei Gläser aus dem Küchenschrank. »Du hast bestimmt Durst.« Er füllte ein Glas und hielt es ihr entgegen. Judith wich zurück, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher