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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich
Autoren: Penny Hancock
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wunderbarer Schock, dass ich mich heute Morgen beim Aufwachen genauso gefühlt habe wie mit dreizehn, als Seb und ich uns zum ersten Mal geküsst haben. Eine Offenbarung, dass ich die Sehnsucht von damals – seine Wimpern an meinen Fingern zu spüren, meine Zunge auf seinen Lippen – immer noch in mir trage. Die Zeit ist von mir abgefallen wie ein Staublaken, das zu Boden gleitet, und hat enthüllt, was sich schon immer darunter verbarg.

K APITEL D REI
    Samstag
    Sonia
    Im Bus überkommt mich eine Erinnerung, als wir an dem Starbucks vorbeifahren, in dem früher unser Süßwarenladen war.
    Ein Sommertag. Mitten in einer Hitzewelle. Ich war dreizehn. Wo war meine Mutter an diesem Tag? Sie muss schon als Lehrerin gearbeitet haben, denn ich fühlte mich freier, als wenn sie zu Hause war.
    Ich spüre noch, wie mir der Baumwollstoff meines Sommerkleids leicht über die Oberschenkel strich, als ich vom Laden über den Fußweg nach Hause ging. Ich saugte an einem Orangeneis am Stiel. Mit meinen Flipflops blieb ich an den Pflastersteinen hängen, die von den Getränken und dem verkleckerten Eis der anderen Leute ganz klebrig waren. Vom Fluss stieg ein durchdringender, metallischer Geruch auf, gemischt mit Teer und Alkohol. In dieser Gegend hing immer der Geruch von Bier in der Luft, aus den Pubs und den leeren Flaschen von den Leuten, die auf der Ufermauer gesessen und getrunken hatten. Es herrschte Ebbe. Verträumt ging ich an der Anlegestelle in der Nähe unseres Hauses die steile Steintreppe hinunter und lutschte dabei an meinem Eis. Die Wasserpflanzen, die die Stufen oft rutschig machten, waren eingetrocknet. Unten angekommen schleuderte ich die Flipflops von den Füßen und stellte mich ans Ufer. Das Wasser schwappte kühl über meine Füße. Zwischen meinen Zehen quoll Matsch hervor. Ich krallte sie um die kleinen, runden, harten Dinger, die im Schlamm vergraben waren.
    »Sonia! Soniiiaaa!«
    Aufgeschreckt aus meiner Trance blickte ich auf. Auf dem Fluss balancierten Seb und sein Freund Mark auf dem Rand eines alten, verankerten Lastkahns, nackt bis auf ihre Unterhosen, die schwer vom Wasser schlabberten. Mark gab Seb einen ordentlichen Schubs.
    »He, Sonia, Hiiilfe!«, schrie Seb. In gespielter Angst ruderte er mit den Armen, kippte seitlich ins Wasser und verschwand in der Tiefe. Mark brach vor Lachen fast zusammen. Als Seb nach einer Weile nicht nach oben gekommen war, sprang Mark hinterher. Jetzt waren beide in der braunen Brühe untergetaucht, die vor lauter Schmodder kaum die Sonne widerspiegelte. Sekunden verstrichen. Minuten. Nichts durchbrach die kompakte Oberfläche. Mein Herz hämmerte, mein Mund wurde trocken, das Eis klebte an meiner Zunge.
    Endlich ein Platschen. Ein Kopf. Mark. Er kletterte auf den Lastkahn und verschwand im Bug.
    Immer noch kein Seb.
    Ich watete ins Wasser, starrte auf den unbewegten Fluss. Die Anlegestellen runter Richtung Blackwell flirrten vor Hitze. Alles wurde still.
    Eine vorüberfahrende Motorbarkasse sandte mir Wellen entgegen, die vor meine Schienbeine schwappten, bevor wieder Stille eintrat. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Ich bekam keine Luft. Die Welt war stehen geblieben.
    Dann endlich ein Wuuusch !
    Kurz vor mir tauchte Seb auf, tropfend vor Öl und Flussschmodder. Er wankte auf mich zu, packte mich am Arm und zog mich näher. Erst wehrte ich mich. Ließ den Rest von meinem Eis fallen, grub ihm meine Nägel in die Schultern. Er lachte. Ich wollte ihn treten, aber ich hatte keine Chance, er war viel stärker als ich. Bald reichte mir das Wasser bis an die Oberschenkel, mein Kleid klebte an der Haut. Er zog noch einmal, und ich verlor das Gleichgewicht. Nach der Hitze war das kühle Wasser eine Wohltat. Wild um mich spritzend verfolgte ich ihn, und er zog mich auf: »Oooh, du machst mir ja Angst.«
    Mark kam herüber. Beide sprangen auf mich und drückten mir den Kopf unter Wasser. Seb packte meine Beine. Ich schlug um mich, versuchte vergeblich, sie an den Haaren zu reißen, und biss Mark fest in den Arm. Mit einem Schrei ließ er mich los, und ich sog tief die muffige Luft ein, als mein Gesicht wieder im Sonnenschein badete.
    Das nasse Kleid, das im kalten, trüben Wasser gegen meine Haut klatschte. Sebs starke Hände an meinen Knöcheln. Über uns die pralle Sonne.
    »Zeit für ein Bier!«, rief Seb und ließ mich los. Er und Mark kraulten los, aber zu den Lastkähnen statt zum Ufer. Ich folgte ihnen und versuchte, kein Flusswasser in den Mund zu bekommen. Angeblich
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