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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich
Autoren: Penny Hancock
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mir zu und bleibe stehen, bis ich höre, wie er ins Badezimmer geht und das Wasser andreht.
    In der Küche denke ich gar nicht erst nach. Ich angle das Handy aus seiner Tasche, gehe nach draußen und überquere den Weg zum Fluss. Zum Glück kommt die Flut, so dass der Uferstreifen nicht trocken ist, sondern rötlich braunes Wasser gegen die Mauer schwappt. Als hinter mir ein paar Touristen vorbeigehen, lehne ich mich an die Mauer und beobachte die Kähne, die sanft aneinanderstoßen. Ich warte, bis die Touristen außer Sichtweite sind, bevor ich das Handy in der Tiefe verschwinden lasse.
    Als ich mit Kaffee und Bagels zu Jez zurückkehre, steht er mit Jeans, aber ohne Hemd im Zimmer und reibt sich mit einem Handtuch die Haare trocken. Es duftet nach der Zitronengrasseife, die ich ins Bad gelegt habe. Unter dem Handtuch hervor sieht sich Jez das Frühstückstablett an. Ich habe Kaffee in dem italienischen Espressoding gemacht, das ich immer für Kaffeeliebhaber benutze, Toast aus Biobrot, Bagels und ein Schälchen mit meiner Marmelade mitgebracht.
    »Setz dich. Du musst was essen«, sage ich. Er lässt sich auf das Bett plumpsen. Er hat breite Schultern, aber die Knochen sind noch zart. Vor ihm liegt noch eine weite Entwicklung. Eine winzig schmale Linie zieht sich über seinen Bauch, weil er sich vornüberbeugt.
    Er legt zwei Bagelhälften zusammen und beißt ein großes Stück ab. Lehnt sich gegen das Kissen und schlürft etwas Kaffee, dann verputzt er den restlichen Bagel mit wenigen weiteren Bissen. Die Sonne, die durch die Oberlichter über den Bücherwänden strömt, wärmt das Zimmer. Es ist angenehm. Mehr als angenehm. Luxuriös. Bei mir hat er es wirklich gut getroffen.
    »Du musst nicht gehen, weißt du«, sage ich. »Ich habe heute nichts vor. Du kannst gerne bleiben. Spiel etwas Gitarre, entspann dich, und ich buche nachher eine Fahrkarte für den Eurostar für dich. Aber das musst du natürlich wissen.«
    Abwägend sieht er mich an.
    »Für die Fahrt bin ich wirklich etwas durch den Wind, aber störe ich Sie denn nicht?«
    Ich lächle. »Überhaupt nicht.«
    »Alicia ist bestimmt sauer, dass ich sie gestern versetzt habe. Und ich sollte meiner Mum sagen, wo ich bin. Ich wollte heute zurückkommen.«
    »Das ist aber rücksichtsvoll!«, sage ich.
    Und ich bin wirklich überrascht. Kit habe ich in diesem Alter angebettelt, mir zu sagen, wo sie war, und sie hat es trotzdem nie gemacht. Wenn ich sie anrufen wollte, hatte sie ihr Handy immer ausgestellt, oder der Akku war leer. Und wenn ich geschimpft habe, weil sie sich nicht gemeldet hat, hatte sie angeblich kein Guthaben auf ihrer Karte.
    »Ich gehe runter und hole mein Handy«, sagt er.
    Es ist zu spät, um ihn aufzuhalten, und ich will ihm keine Angst machen. Mir bleibt nichts anderes übrig als zuzusehen, wie er das Musikzimmer verlässt und die Treppe hinuntergeht. Ich gehe ein enormes Risiko ein, um sein Vertrauen zu gewinnen. Nichts würde ihn davon abhalten, mein Haus und mein Leben für immer zu verlassen. Ich rede mir ein, ich sollte es als Test sehen, damit ich weiß, woran ich bei ihm bin. Ich muss wissen, dass er genauso sehr hierbleiben will, wie ich ihn bei mir behalten möchte.
    Diese wenigen Minuten sind eine Qual. Ich kann mich kaum rühren. Kein Geräusch entgeht mir, als er unten nach seinem Handy sucht. Falls er zur Küchentür gehen sollte, ohne sich zu verabschieden, werde ich es merken. Ich werde hinunterlaufen und ihn bitten, mit mir ein paar Möbel umzustellen, bevor er geht. Und als braver Junge, der er ist, wird er mir die Bitte nicht abschlagen können. Ich darf ihn nicht verlieren.
    Reglos lehne ich mich gegen die Tür, als eine andere Erinnerung in mir wach wird. Ebenfalls ein Abschied. Wir waren in einer Garage. Es roch nach Benzin, Öl und Erwachsenenschweiß. Jemand warf einen Koffer in den Kofferraum. Ich sehe Sebs Gesicht so klar und deutlich vor mir, als wäre er jetzt hier. Das Grinsen auf seinen Lippen. Dieser Blick, den ich so gut kenne, die Verachtung für Autorität getarnt mit süffisantem Charme.
    »Wir müssen los. Steig ein, Seb.«
    Er lachte über meine Wut, als er auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Dann sah er zu mir hoch und zeigte mir mit einem Schulterzucken, dass er nicht gehen würde, wenn er es nicht müsste.
    »Dann tu es nicht, Seb«, sagte ich. »Geh nicht. Lass dich nicht dazu zwingen.«
    Die Autotüren knallten zu. Ich zog an dem Griff, aber die Tür war schon verriegelt, und Seb schnallte sich an. Als
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