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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich
Autoren: Penny Hancock
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hier auch nicht weggehen wollen. Dieses Zimmer ist der Hammer.« Er geht zu den Fenstern hinüber. »Von hier aus kann man alles sehen. Besser als vom London Eye! Canary Wharf, Docklands. Die O2-Arena. Das ist so cool.«
    Er sagt das, als hätte ich vielleicht noch nie selbst hinausgesehen. Als müsste er mir diese Dinge erst zeigen. Ich finde das reizend. Ich staple das Frühstücksgeschirr auf dem Tablett, und als er Gregs Plattensammlung durchsieht, will ich gehen.
    »Sonia.« Bei der Tür bleibe ich stehen und drehe mich um. »Danke.« Wir lächeln uns an.
    Ich gehe hinaus. Draußen starre ich kurz die Tür an, bevor ich mich entscheide. Dann ziehe ich sie zu, drehe den Schlüssel herum und gehe nach unten.

K APITEL V IER
    Samstagabend
    Sonia
    Das Flusshaus hat einen Nachteil, über den Kit sich nach unserem Umzug bitter beschwert hat. Es hat keinen Garten. Der Hof zwischen der Küchentür und der Mauer zum Fußweg ist gepflastert und zu schmal, um diesen Namen zu verdienen. Das eine oder andere habe ich draußen in Töpfen angepflanzt, aber gegen den schattigen Standort führe ich einen aussichtslosen Kampf. Meine Mutter hat in Beeten aus ausrangierten Ziegelsteinen Kletterpflanzen gezogen. Mittlerweile sind viele Ziegel durch den Frost in schartige Stücke zersprungen. Neben dem Blauregen wetteifern Wilder Wein und eine Kletterhortensie mit einem hartnäckigen dunkelgrünen Efeu um die Vormacht. Das ganze Haus leidet den Großteil des Tages unter Lichtmangel, nur das Musikzimmer wird von den Oberlichtern erhellt.
    Die Haustür zur Straßenseite benutzen wir nie. Zurzeit wird sie ohnehin von Gregs Schreibtisch und seinem alten Computer verstellt. Stattdessen kommen und gehen wir durch die Tür in der Mauer, die auf den Uferweg führt.
    Als wir in das Flusshaus zurückgekehrt sind, hat Kit das große Schlafzimmer nach vorne auf die Straße hinaus bekommen, während Greg und ich uns das etwas kleinere Zimmer auf der Rückseite geteilt haben, das wenigstens morgens vom Fluss her Licht bekommt. Früher war das mein Kinderzimmer. Es gibt noch ein Schlafzimmer, aber das benutzen wir nicht. Eine weitere Treppe führt zum Musikzimmer hinauf. Meine Eltern hätten den Boden gern komplett ausgebaut, doch die flache Dachneigung ließ das nicht zu. Man kann den Dachboden, der durch mein Zimmer zu erreichen ist, nicht einmal betreten. Deshalb haben sie dieses seltsame, eckige Türmchen mit den Oberlichtern gebaut, die einen freien Blick auf den Fluss bieten, wenn man sich auf einen Stuhl stellt, hinüber zur Isle of Dogs und dem, was heute Canary Wharf ist. Das neue Zimmer wurde wie ein Keil auf eine Dachseite gepfropft, was von außen einen seltsamen Überhang ergibt. Durch eigens eingesetzte Fenster fällt Licht auf die Treppe, auf der es sonst stockdunkel wäre. So kann ich von deren Absatz aus in das Musikzimmer blicken und Jez sehen, ohne selbst gesehen zu werden.
    Ich beobachte ihn, hingerissen davon, wie er sich bewegt. Dass die Tür abgeschlossen ist, hat er schon vor einer Weile bemerkt. Er hat dagegen gehämmert. An ihr gerüttelt. Nach mir gebrüllt. Ich war versucht, sofort zu ihm zu gehen und ihn zu beruhigen. Auf keinen Fall will ich ihm Angst machen.
    Nach einiger Zeit gibt er das Rufen auf und durchsucht das Zimmer nach etwas, mit dem er das Schloss öffnen kann. Er findet eine Haarnadel und stochert damit ungeschickt im Schlüsselloch herum. Seine Bemühungen sind herzerweichend aussichtslos.
    Nachdem er auch das aufgegeben hat, stellt er sich vor die Wand, packt einen der hohen Fenstersimse und zieht sich mit seinen kräftigen Armen hoch. Ein wunderbarer Anblick, wie sich dabei seine Bizepse anspannen. Wie sein T-Shirt hochrutscht und die goldenen Grübchen neben den untersten Wirbeln entblößt. Er sieht, dass er durch diese schmalen Schlitze nicht entkommen kann. Außerdem sind sie abgeschlossen.
    Er kehrt zur Tür zurück, hämmert dagegen und ruft nach mir. Jetzt fällt es mir schwer zu widerstehen, aber ich habe Angst, dass er wegläuft, wenn ich ohne richtige Vorbereitung das Zimmer betrete. Dass ich ihn verliere.
    Eine Zeitlang sitzt er auf dem Bett, den Kopf in die Hände gestützt. Dann nimmt er eine Gitarre – Gregs Akustikgitarre, die er in unserem Spanienurlaub gekauft hat. In dem Jahr des großes Schweigens, in dem wir uns beinahe getrennt hätten. Aber daran will ich jetzt nicht denken. Jez hat angefangen zu spielen, dieses Mal in einer Art wilder Besessenheit. Er schlägt hektisch die Saiten
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