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Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner

Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner

Titel: Ian Yery & der Hardcore Absolute Beginner
Autoren: Kooky Rooster
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leiser zu drehen.
    Die plötzliche Stille ließ die Wände zusammenrücken, da sie nun nicht mehr durch Schallwellen auseinandergedrückt wurden. Mit einem demonstrativ genervten Seufzen tappte Mo zur Einsatzzentrale der aktuell ruhenden Kriegshandlungen. Er schlüpfte aus dem nassen Shirt und benutzte es wie ein Handtuch, um den Schweiß von seinem dampfenden Körper zu wischen. Judith musterte ihn aus dem Augenwinkel, leckte sich über die Lippen und erntete dafür einen beleidigten Blick von Stefan.
    „Alsoooo, Leute, was giiiibt’s?“, fragte Mo gelangweilt und dehnte die Vokale extrem.
    Er blickte überallhin, nur nicht auf den Monitor. Die Plakate an den Wänden zeigten bis zur Unkenntlichkeit gerüstete Soldaten in martialische Posen, die mit Waffen auf den Betrachter zielten. Wie beruhigend!
    „Guck dir das an!“, brabbelte Stefan aufgeregt und klickte wild herum, um eine bestimmte Ansicht aufzurufen. Da Mo mit diesen
'das-musst-du-dir-unbedingt-ansehen'
-Showeinlagen noch nie etwas hatte anfangen können, schaute er gar nicht erst hin. Meist reichte es seinen Mitbewohnern schon, wenn er ein angetanes
'toll'
hervorstieß und dann ließen sie ihn in Ruhe.
    „Toll!“, rief Mo in gespielter Faszination und ließ seinen Blick über den Schreibtisch wandern, der aussah wie nach einem Atomangriff.
    Dieser war überzogen von einer Ascheschicht und die Tastatur hatte mehrere Brandlöcher, da sich Stefan angewöhnt hatte, Glimmstängel zwischen den Funktionstasten abzulegen, wenn er beide Hände brauchte. Dort vergaß er sie im Spielstreß und erinnerte sich erst durch den beißenden Geruch verbranntem Kunststoffs wieder daran, dass er eigentlich seinen Lungen hatte schaden wollen, nicht der Tastatur.
    „Du siehst ja gar nicht hin!“, beschwerte sich Judith und nutzte die Gelegenheit, ihm in die Seiten zu kneifen. Mo wich ihr gekonnt aus.
    „Sorry, aber ich kann mit dem ganzen Kram echt nix anfangen. Was wollt ihr denn von mir hören?“, fragte Mo und warf einen kurzen Blick auf den Monitor. Irritiert hielt er inne.
    „Na? Was sagst du?“, stieß Judith triumphierend aus.
    „Irgendwie gruselig, nicht wahr?“, wisperte Stefan ehrfürchtig.
    „Spannend, ihr habt also dem Feldwebel mein Aussehen verliehen“, brummte Mo mürrisch.
    Hin und wieder erlaubten die beiden sich den Scherz, mit den Designmöglichkeiten eines Spiels ihren
'Char'
– wie sie es nannten – ihr eigenes Aussehen oder das eines Prominenten oder sogar einer Comicfigur zu verleihen. Meist brauchte man viel Fantasie, um dann tatsächlich eine Ähnlichkeit feststellen zu können. In diesem Fall aber glaubte Mo sein Spiegelbild zu erblicken, allerdings gekleidet in Tarnanzug und mit einer besorgniserregend großen Waffe in der Hand. Als überzeugter Pazifist gefiel ihm das ganz und gar nicht.
    „Alter, das haben nicht
wir
gemacht. Bei dem Spiel kann man seinen Char nicht anpassen – mal davon abgesehen, dass man das mit den üblichen Standardeinstellungen nie so präzise könnte. Das stammt aus den kreativen Köpfen der Spieleschmiede“, verteidigte sich Stefan.
    „Das glaub ich nicht. Ihr wollt mich doch verarschen, gebt es zu. Wie funktioniert das? Kann man da sein Passfoto hochladen oder so etwas?“, tönte Mo.
    Stefan erhob sich langsam von dem knarzenden Drehstuhl und überließ ihn seinem Mitbewohner, der – den Blick wie hypnotisiert auf den Bildschirm gerichtet – auf die körperwarme Sitzfläche sank. Es war wirklich beängstigend, wie verdammt ähnlich die Figur Mo sah – nein, nicht bloß ähnlich, sie sah
exakt
genausoso aus wie er.
    „Judith, wo ist die Spielehülle?“, fragte Stephan geschäftig wie ein Sanitäter, der einen Patienten vor einer Ohnmacht bewahren wollte.
    Er durchsuchte die DVD-Hüllen auf dem Schreibtisch und wirbelt dabei die Ascheschicht auf. Eine stinkende Wolke kroch in Mos Nase. Normalerweise war das mindestens einen pikierten Aufschrei wert, doch nun bemerkte er es gar nicht, so gefangen war er von dem, was er sah.
    „
Du
hattest sie doch vorhin!“, pöbelte Judith ihren Freund an und begann den Boden abzusuchen, indem sie nach und nach Schmutzwäsche und Pizzakartons aufhob, nur um sie wieder auf dieselbe Stelle fallen zu lassen.
    „Du hast vorhin wegen der Tastenkombi nachgesehen!“, motzte Stefan sie an und wirbelte noch mehr Staub auf.
    „Nein hab ich
nicht
, weil
du 
…“, konterte Judith scharf und wurde sogleich unterbrochen.
    „Ich hab sie!“, rief Stefan euphorisch und hob
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