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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
Autoren: Serhij Zhadan
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Ausweis zurück. – Sanytsch erinnerte sich an den Ausweis, holte ihn aus der Tasche und schaute sich das Foto an. – Ohne Piercing siehst du besser aus, – sagte er. Vika nahm den Ausweis und steckte ihn ein. – Wenn du willst, – sagte Sanytsch, – bleib ich bei dir. – Dumpfbacke, – antwortete Vika und lächelte zufrieden, – ich bin doch lesbisch, raffst du denn gar nichts? Und du bist nicht mal schwul, sondern Inhaber. Geschnallt? – Vika küßte ihn und verschwand im Haus. Sanytsch spürteden kalten Geschmack ihres Piercings. Wie wenn man mit den Lippen einen Silberlöffel berührt.
    Der Arbeitsalltag begann. Hauptproblem des Arbeitsalltags war, daß der Klub absolut nicht lief. Die Zielgruppe machte demonstrativ einen Bogen um die »Butterbrot-Bar«. Goga fluchte, Slawik tat alles, um ihm nicht unter die Augen zu kommen, und wenn doch, dann erhob er ein lautes Geschrei und redete von Marktlücken, der Agentur UkrKonzert und der vietnamesischen Diaspora, schlug sogar vor, die »Butterbrot-Bar« in einen Sushi-Laden nur für die vietnamesische Diaspora umzufunktionieren, worauf ihm Goga eins auf die Mütze gab und er eine Weile nicht mehr zur Arbeit erschien. Goga saß in seinem Büro und löste nervös die Kreuzworträtsel aus der »Buchhalter-Rundschau«. San Sanytsch machte Vika ausfindig und lud sie zum Abendessen ein. Vika sagte, sie habe ihre Tage und wolle in Ruhe gelassen werden, versprach aber, bei Gelegenheit in der »Butterbrot-Bar« vorbeizuschauen. Es war ein heißer Sommer, und aus den Klimaanlagen tropfte der Saft.
    Slawik kam zurück. Bemüht, sein Veilchen zu verbergen, es war aber sogar durch die Sonnenbrille zu erkennen, ging er zu Goga ins Büro. Goga rief Sanytsch. Slawik saß da, wakkelte depressiv mit dem Kopf und schwieg. – Wirst du noch lange schweigen? – Goga lächelte aufmunternd. – Georgi Dawydowytsch, – begann Slawik und wählte seine Worte sorgfältig, – ich verstehe ja – wir waren alle gestreßt, ich war im Unrecht, Sie sind ausgeflippt. – Ich? – Goga lächelte immer noch. – Wir sind doch Profis, – sagte Slawik und fingerte an seiner Brille herum. – Ich verstehe – Geschäftist Geschäft, und es darf nicht den Bach runtergehen. Ich bin für klare Verhältnisse ... Und wenn Sie etwas an mir auszusetzen haben, dann sagen Sie es ruhig, ich kann das wegstecken. Also, – fuhr Slawik fort, – ich verstehe das alles, vielleicht bin ich auch mal anderer Meinung, vielleicht gehen unsere Ansichten irgendwo auseinander, so ist das eben, ich verstehe – Sie sind neu im Geschäft, daher, aber nein, alles okay, ich bin weiter mit von der Partie. – Slawik, – sagte Goga, – einfach spitze, daß du mit von der Partie bist, das Problem ist nur, daß unserer Mannschaft der Abstieg droht. – Ja, – sagte Slawik, – ja. Ich verstehe – Sie haben jedes Recht, so zu reden, ich an Ihrer Stelle würde auch so reden, ich verstehe natürlich ... – Slawik, – unterbrach ihn der Boß wieder, – ich bitte dich – werd ein bißchen konkreter, ich bin im Minus, so macht man keine Geschäfte, kapiert? – Slawik nickte und laberte was vom Spiel, in das er zurückgekehrt sei, und daß jeder an seiner Stelle so gehandelt hätte, schnorrte von Goga Geld fürs Taxi und stellte für morgen gute Neuigkeiten in Aussicht. Am nächsten Morgen rief er von einem fremden Handy an und schrie, daß er gerade in der Stadtverwaltung sitze und hier bei den Stadtverordneten durchboxen werde, daß in diesem Jahr sie die »Bestickten Tücher« ausrichten würden! – Hä? – fragte Goga. – »Tücher«, wiederholte Slawik geduldig, es war zu hören, wie ihm der rechtmäßige Besitzer das Mobiltelefon aus der Hand zu reißen versuchte, aber Slawik hielt sich wacker. – Die »Bestickten Tücher«! He, Moment! – rief er jemandem zu und fuhr fort, nachdem er sich das Handy wieder geschnappt hatte: – Wettbewerb für kreative Kinder und Jugendliche, unter der Schirmherrschaft des Gouverneurs, die Knete kommt direkt von der öffentlichen Hand, wenndas klappt, kriegen wir den Status eines Kulturzentrums, und kein Finanzamt pißt uns mehr an. – Bist du sicher, daß es das richtige für uns ist? – fragte ihn Goga für alle Fälle. – Natürlich ist es das richtige, – schrie Slawik zurück, – genau das, was wir brauchen – Malen auf Asphalt, Schönheitswettbewerb, Zehntkläßlerinnen im Bikini, fuck – wir schreiben ein Programm, lassen die Knete durch die Bücher laufen,
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