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Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen
Autoren: Tom Epperson
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und fuhr zurück zum Highway. Hinter ihm stieg schwarzer Rauch über der apokalyptischen Weide auf. Nach ein bis zwei Kilometern bot sich ihm ein seltsamer Anblick. Ein kräftiger Teenager zog einen grüngelben John-Deere-Traktor hinter sich her. Der Junge trug Zaumzeug, das mit einer Kette am Traktor befestigt war. Er beugte sich so weit vor, wie es eben ging, und ruderte mit den Armen, während er den Traktor die leicht ansteigende Straße emporzog. Dann blieb er stehen und nahm sich ein Handtuch. Er wischte sich übers Gesicht und sah dem Geländewagen entgegen.
    Ter Horst hielt an und öffnete das Fenster.
    «Hallo!»
    «Hallo», sagte der Junge, noch außer Atem. Er trug ein graues T-Shirt mit der roten Aufschrift BRADY BOBCATS , außerdem rote Jogginghosen, und sein rechtes Knie war bandagiert. Das Hemd war nass vor Schweiß, und sein Kopf dampfte.
    «Ist wohl ’ne dumme Frage, aber was machst du da mit dem Trecker?»
    Der Junge lächelte schüchtern. «Das mach ich jeden Morgen vor der Schule. Ich muss mein Knie trainieren.»
    «Was ist denn mit dem Knie?»
    «Kreuzbandriss. Ist letzten Sommer beim Basketball passiert. Bin für einen Rebound hochgesprungen und falsch aufgekommen.»
    «Spielst du Football?»
    «Ja genau. Aber diese Saison kann ich komplett vergessen. Ist mein letztes Jahr auf der Highschool.»
    «Ganz schön heftig.»
    «Zuerst war ich so enttäuscht, ich hab gedacht, das überleb ich nicht. Aber Dad hat gesagt, Sieger geben nicht auf, sie stehn wieder auf. Ich trainiere jetzt fürs College.»
    «Offensive Line?»
    «Genau.»
    «Lass mich raten – eins neunzig, knapp hundertdreißig Kilo?»
    Der Junge grinste. «Das kommt ziemlich genau hin.»
    «Bei Gewicht und Größe bin ich ganz gut.»
    «Ich will noch zehn Kilo zulegen, und schneller werden muss ich auch. Vor der Verletzung habe ich den Sprint in 5 , 34 gemacht. Ich will mindestens 5 , 20 schaffen, vielleicht auch 5 , 15 .»
    «Klingt nach einem entschlossenen jungen Mann.»
    «Dad sagt, ich soll ganz einfach jeden Tag etwas besser werden. Einen Baum fällt man ja auch Schlag für Schlag.»
    «Weißt du schon, auf welches College du willst?»
    «Na ja, Oklahoma State war ziemlich interessiert, bevor ich mich verletzt habe. Scheint so, als würden sie jetzt einen Rückzieher machen. Dafür ruft jeden Tag ein Trainer aus Arkansas bei mir an.»
    «Meine Tochter war in Arkansas.»
    «Und, hat’s ihr gefallen?»
    «Sie fand es klasse. Die Leute da können echt feiern. Und meine Tochter liebt Partys.»
    «Das ist nicht so mein Fall.»
    «Football wird dort aber auch großgeschrieben. ‹Woo pig sooie›, stimmt’s?»
    Der Junge lachte. Dann sah er die Straße hinunter, in die Richtung, aus der ter Horst gekommen war.
    «Sieht so aus, als würde da was brennen.»
    Ter Horst sah in den äußeren Rückspiegel. Sah dunklen, schmutzigen Rauch. Aus dem Augenwinkel musste der Junge mitgekriegt haben, wie er zur Pistole griff. Er versuchte, sich zu ducken; die Kugel prallte an seinem Schädel ab. Sie riss Kopfhaut und Haare weg, Blut spritzte. Der Junge stürzte sich auf ter Horst, und er hätte es vielleicht geschafft, ihm die Pistole zu entreißen und seine großen Hände um ter Horsts Hals zu legen, ihn umzubringen und sein eigenes Leben zu retten, nach Arkansas zu gehen und ein großer Footballstar zu werden, wenn ihn das Zaumzeug nicht zurückgehalten hätte. Ter Horst schoss ihm in die Stirn.
    Er lehnte sich aus dem Fenster und sah ihn sich an. Der Junge lag in seinem Zaumzeug da wie ein alter Ackergaul am Ende seiner Kräfte. Ter Horst gab noch ein paar Schüsse ab. Dann fuhr er weiter.
     
    Sie waren bis ungefähr ein Uhr nachts gefahren; als sie aus dem Sekundenschlaf aufschreckte und merkte, dass der Wagen halb von der Fahrbahn abgekommen war, hatte sie die nächste Ausfahrt genommen und ein Motel gesucht. Um sieben waren sie wieder aufgebrochen, und sie fuhren bereits mit konstanten 110  Stundenkilometern auf der Interstate, als die Sonne hinter ihnen aufging. Als hinter ihnen ein Mann ermordet und ein Junge niedergeschossen wurde.
    «
Wo
wollen wir denn hin?»
    «Lass mich in Ruhe.»
    «
Wohin
, Mom?»
    «Wo es sicher ist.»
    «Ich habe Hunger», sagte er später. Den hatte sie auch. Zum Abendessen war es gestern nicht mehr gekommen. Bei McDonald’s hielten sie an. Sie bestellte einen Egg McMuffin, er einen Chicken Burger. Sie trug noch immer die schwarze Bluse und die schwarze Hose, die sie so sorgfältig für die Verabredung
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