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Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen
Autoren: Tom Epperson
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rein. «Sie hat gar nicht gesagt, dass Sie kommen würden.»
    Der Mann sah sich im Raum um. Carter grinste ihn an.
    «Sie sind also von der Ostküste?»
    «Genau.»
    Der Mann zeigte auf etwas hinter Carter. «Was ist denn das?»
    Carter drehte sich um. Da war nichts Besonderes. An der Wand hing das Bild einer Fuchsjagd. Pferde, Jagdhunde und Reiter in roten Jacketts und weißen Hosen. Die erste Kugel warf ihn um, aber sie tötete ihn nicht und machte ihn auch nicht bewusstlos. Er fiel wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hat, und sah den Teppich plötzlich aus der Froschperspektive. Dann jagte der Mann ihm zwei Kugeln ins Gehirn.
    Der Dicke blickte auf und sah Luke in der Tür zum Flur.
    «Hey, Luke. Wo ist deine Mom?»
    Ohne den Kopf zu bewegen oder es auch nur zu versuchen, zeigte Luke mit den Augen in Richtung Küche. Der Mann ging auf die Schwingtür zu und stieß sie mit der linken Hand auf. In der rechten hielt er eine Ruger Mark  II . 22 mit Schalldämpfer. Ein Schwall kochenden Wassers klatschte ihm ins Gesicht. Er schrie auf und schoss wild um sich. Blind, aber systematisch. Gina hörte, wie die Kugeln die Luft zerschnitten, erst links von ihr, dann ein lautes Klong, als die nächste den Topf erwischte und ihn ihr beinahe aus der Hand schlug, dann die dritte wenige Zentimeter neben ihrem rechten Ohr. Sie knallte dem Mann den Topf gegen die Schläfe. Er hörte auf zu schreien und ging in die Knie. Sein Kopf dampfte. Er versuchte, die Pistole auf sie zu richten. Sie schlug noch einmal zu, härter als zuvor. Er ließ die Pistole fallen, kippte nach vorn, fiel auf die Waffe und rührte sich nicht mehr.
    Sie stellte den Topf ab und rief nach Luke. Sofort war er da, nur ein Hauch von einem Jungen; die Angst schien ihn noch kleiner gemacht zu haben.
    «Alles in Ordnung?»
    Er nickte und starrte zu dem Mann hinüber. «Wer ist das?»
    «Keine Ahnung. Wie geht’s Carter?»
    «Ich glaube, er ist tot.»
    «Oh Gott!»
    Der Mann atmete tief, als würde er fest schlafen. Durch seine Locken sickerte Blut auf den Boden. Sie nahm das Küchenmesser. Wenn er sich bewegte, würde sie zustechen.
    «Hilf mir.»
    Die Pistole war unter Toddos knapp zweihundert Kilo begraben. Aber ihn umzudrehen war ungefähr wie der Versuch, ein Wasserbett zu bewegen. Keuchend zerrten sie an ihm herum.
    «Was machen wir jetzt, Mom? Sollen wir 911 anrufen?»
    Aus Toddos Manteltasche schaute ein Bogen Papier hervor. Sie zog es heraus und faltete es auseinander. Es war ein Ausdruck von Google Maps, der Weg vom Flughafen in Tulsa zu ihrer Wohnung. Jemand hatte eine Telefonnummer daraufgeschrieben. Sie kannte die Nummer.
    «Scheiße!»
    «Was ist los, Mom? Sag schon!»
    «Wir müssen abhauen. Sofort!»
    Sie warf nur einen einzigen Blick auf Carter, der im Wohnzimmer auf dem Boden lag. Was jetzt kam, hatten sie geübt wie einen Feueralarm. Sie schnappten ihre Laptops und die gepackten Koffer und waren in weniger als einer Minute aus der Wohnung verschwunden. Sie polterten die Treppe hinunter und flohen hinaus in Regen und Dunkelheit.
     
    Gray ging die Alejo Avenue entlang, den Rucksack geschultert. Es war die Hauptstraße des Städtchens, trotzdem war hier nicht viel los. Kleine Geschäfte, ein Schuster, eine Pilates-Praxis, ein Lebensmittelgeschäft und Läden für Tiernahrung, Schnaps und Köder. Ein mexikanisches Restaurant, ein Italiener, ein Café und Bars, die
Prince o’ Wales
oder
Harbor Room
hießen. Ein paar zwei- und dreistöckige Wohnhäuser. Im Süden, wo große Häuser standen, ging es steil den Hügel hinauf. Im Norden lag sumpfiges Brachland, das von den Baufirmen bisher noch verschont geblieben war. Geradeaus endete die Straße in den Dünen.
    Obwohl es erst acht Uhr abends war, herrschte am King Beach bereits Aufbruchsstimmung. Auf dem Bürgersteig waren nur noch wenige Leute unterwegs; ab und zu kam ein Auto vorbei. Für einen Badeort in Südkalifornien wirkte alles merkwürdig untouristisch und altmodisch. Er hörte ein Donnern, dann schoss ein Düsenjet hinter den Hügeln hervor und stieg in den Himmel empor. Der Flughafen von L.A. war offenbar nur einen Steinwurf entfernt.
    Ein junger Typ kam ihm entgegen, das Handy am Ohr. Er trug ein Kapuzenshirt mit der Aufschrift KALASHNIKOV . Auf die Stirn hatte er sich ein geflügeltes Hakenkreuz tätowieren lassen. Er führte einen Köter an der Leine, halb Schlittenhund, halb Promenadenmischung. Ein so armseliges Vieh hatte Gray noch nie gesehen. Verstümmelte Ohren,
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