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Hyänen

Hyänen

Titel: Hyänen
Autoren: Tom Epperson
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sie irgendwo absetzen würde und dass sie den Augenverband nicht abnehmen sollte, bevor sie ihn dreimal hatte hupen hören. Das Auto, in dem sie saßen, schien ein Geländewagen zu sein. Und noch recht neu, wegen des sauberen Ledergeruchs. Sie merkte, dass sie zuerst durch eine Stadt fuhren und an Stoppschildern und Ampeln anhielten. Dann wurden sie schneller, und sie wusste, dass sie auf einem Highway waren.
    Dabei konnte er seine Maske nicht aufhaben. Das fand sie merkwürdig. Er saß neben ihr ohne die Maske, und trotzdem konnte sie sein Gesicht nicht sehen.
    Sie hatte sich an ihre Art zu reden gewöhnt. Sie sprach, und er schrieb etwas auf den Block. Im Lauf der Zeit hatten sie regelrecht angefangen zu plaudern, deshalb fühlte sie sich während dieser schweigsamen Autofahrt unbehaglich und komisch.
    «Können wir vielleicht Musik hören?», fragte sie.
    Das Radio wurde eingeschaltet. KRXO , ein örtlicher Rocksender.
    «Danke», sagte sie. Ihre Stimme kam ihr dünn und zittrig vor. Sie wurde von widerstreitenden Gefühlen gequält. Große Freude, weil sie freigelassen wurde, und große Furcht, weil das vielleicht nur ein Trick war. Vielleicht brachte er sie an einen Ort, an dem sie getötet wurde.
    Sie konnte nicht glauben, dass er selbst ihr jemals etwas antun würde. Wenn sie ihm in die Augen schaute, dann sah sie, dass er in sie verknallt war. Was ein Typ wie er an einem Mädchen wie ihr finden konnte, war ihr allerdings ein Rätsel. Er war so cool, stark und sexy, und sie war nur ein kleines dickes Nichts. Vielleicht waren die anderen Kerle zurückgekommen, und er würde sie an die beiden übergeben. Sie wusste schließlich, wie die beiden aussahen, sie könnte sie identifizieren. Vielleicht würde sie vergewaltigt und gefoltert werden, bevor man sie im Wald vergrub oder in einen Teich warf.
    Sie fuhren langsamer, und sie hörte das Geräusch des Blinkers, dann bogen sie rechts ab und kamen auf eine andere Straße. Sie konnte das Rumpeln und Rasen des Verkehrs nicht mehr hören. Statt hundertzehn oder hundert fuhren sie nur noch fünfzig oder sechzig.
    Ihr Herz schlug schnell, und sie bekam keine Luft mehr. Etwas unglaublich Wunderbares oder unfassbar Furchtbares kam jetzt auf sie zu.
    «Du wirst mir doch nicht weh tun, oder?», fragte sie.
    Keine Antwort.
    «Nun sag schon!»
    Sie fühlte, dass er ihre Hand nahm. Ein beruhigender Händedruck. Er wollte die Hand wieder wegnehmen, aber sie ließ sie nicht los. Für eine Weile fuhren sie händchenhaltend wie verliebte Teenager, dann merkte sie, wie das Auto wieder abbremste. Er zog die Hand zurück, und sie bogen nach links ab. In eine andere Straße. Sie schien nicht gepflastert zu sein. Sie ruckelten langsam vorwärts, eine oder zwei Minuten lang, dann merkte sie, wie der Wagen wendete, er legte den Rückwärtsgang ein und dann den Vorwärtsgang, jetzt zeigte der Wagen wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Er stellte den Motor aus. Sie hörte, wie seine Tür geöffnet wurde, hörte seine Schritte knirschen, dann wurde ihre Tür geöffnet. Er nahm ihren Arm und half ihr beim Aussteigen. Dann schloss er die Tür hinter ihr und führte sie ein paar Schritte weiter. Er blieb stehen.
    Es war ein wenig kühl. Die Vögel sangen. Sie wusste, dass er genau vor ihr stand. Sie konnte seinen Atem hören. Was tat er?
    Sie spürte, dass sich ihre Augen unter dem Stoff und dem Klebeband mit Tränen füllten. Ihre Augen brannten.
    Stand er einfach nur da? Sah er sie an? Was tat er?
    Plötzlich wurde ihr etwas in die Hand gedrückt. Sie hörte, wie sich seine Schritte schnell entfernten, die Wagentür wurde geöffnet und zugeschlagen und der Motor angelassen. Sie hörte den Wagen wegfahren. Dann, nach einer Weile:
Tut! Tut! Tut!
    Sie nahm die Sonnenbrille ab, zog das Klebeband und den Stoff von ihren Augen.
    Sie stand auf einem schmalen Weg mitten im Wald.
    Sie sah in die Richtung, aus der sie das Hupen gehört hatte. Auf dem Weg war nichts zu sehen, er machte eine Kurve und verschwand zwischen den Bäumen.
    Sie sah nach, was er ihr in die Hand gesteckt hatte. Ein gefaltetes Blatt Papier. Sie faltete es auseinander. Es war eine Nachricht von ihm.
    tuht mir ächt leit. dain dad is toht.
     
    Sie verließen die Interstate  40 bei Tucumcari und fuhren östlich auf der US   54 . Nach anderthalb Stunden, kurz nachdem sie den nördlichen Pfannenstiel von Texas erreicht hatten, fing Gina an zu weinen.
    «Mom?», fragte Luke besorgt vom Rücksitz. «Was ist
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