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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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Spaß. Allerdings dachte er auch daran, sein Geschäft zu erweitern und gebrauchte Kleidung anzubieten. Als zweites Standbein sozusagen. Ein paar von den Hundebesitzerinnen, die jeden Tag bei ihm vorbeikamen, hatten ihn darauf gebracht. Sie wollten ihn mit Klamotten versorgen. Manchmal brachten sie auch was zu essen mit. War ganz nett. Mutterinstinkt wahrscheinlich.
    Eine Sorge allerdings hatte er: Wenn er mehr Geld einnehmen würde, als er jeden Tag verbrauchte, dann müsste er das Geld irgendwo aufbewahren, und ganz bestimmt nicht in seinem Anhänger. Wer auf der Straße lebte, durfte nicht viel Geld bei sich haben. Es sprach sich schnell herum unter den Brüdern von der Straße, wenn einer Geld hatte. Und dann war es weg.
    Ralf, der Steinmetz, schaute sich um und lauschte in Richtung Deutsches Museum. Nur das sanfte Glucksen des Flusses war zu hören, und nichts rührte sich unter den Bäumen am Ufer. Man musste aufpassen, wenn man draußen lebte. Dauernd aufpassen. Bei Tieren war’s nicht anders, die mussten auch aufpassen. Vor Tieren hatte er keine Angst, nur vor Menschen. Wie oft hatten ihn seine Kollegen beklaut. Keiner traute dem andern. Ralf, der Steinmetz, lachte leise vor sich hin. Er kannte mal einen, der in seiner Höhle an der Isar über hunderttausend Mark vergraben hatte. In Plastiksäcken. Erforen war der, in einem kalten Winter vor vielen Jahren, und danach fand die Polizei das Geld. Die Polizei!
    Ralf lachte laut auf und sah sich erschrocken um, weil sein Lachen von den Mauern widerhallte. Nein, man brauchte nicht viel Geld, wenn man frei sein wollte. Nur genug zum Essen. Alles andere war Quatsch. Deshalb musste er sich die Sache mit den gebrauchten Klamotten nochmal genau überlegen. Sehr genau. Prüfend betrachtete er den Himmel. Bald würde es hell werden. Es roch immer noch nach verglimmenden Lagerfeuern, aber die Menschen waren alle nach Hause gegangen. Ralf zog die Füße aus dem Wasser, lauschte sichernd nach allen Seiten und rollte sich endlich zusammen.
     
    Plötzlich kehrten die Farben zurück. Das Grau wurde von Rot weggewischt, vielen Schattierungen von Rot, obwohl die Sonne selbst hinter einer dunklen Häusermauer verborgen blieb. Noch immer war Laura allein im Park. Sie lauschte dem Summen der Stadt, machte halbherzig ein paar Dehnungsübungen, lief eine Weile am Hochufer entlang bis zum Maximilianeum, kehrte wieder um und wählte den schmalen Steg, der zwischen Mühlbach und Isar entlangführte. Allmählich verklang der Froschalarm in ihr, und sie konnte klarer denken.
    An den Fall des Rentners Gustav Dobler zum Beispiel, an dem sie sich regelrecht festgebissen hatte, obwohl ihre Kollegen wenig Verständnis dafür aufbrachten. Vor über zwei Monaten war der alte Mann mit E 605 vergiftet worden. Sie kamen mit ihren Ermittlungen nach wie vor nicht wirklich voran. Lauras junger Kollege, Kommissar Baumann, hielt Doblers Tod für Selbstmord, und der Staatsanwalt war kurz davor, die Nachforschungen einzustellen. Der einzige Mensch, der Laura ein wenig weitergeholfen hatte, erholte sich gerade langsam von einem Herzinfarkt. Und dieser Herzinfarkt hatte Lauras Einschätzung nach sehr viel mit einer Zeit zu tun, an die sich eine bestimmte Generation nicht gern erinnerte.
    Laura beugte sich über das Geländer des Stegs und schaute zum Wasser hinunter. Die Isar war zu einem lächerlichen Rinnsal geschrumpft. Auf der anderen Seite des Flusses leuchtete die Kiesfläche in hellem Rosa. Eine Wasseramsel saß auf einem ausgebleichten Baumstamm, den vergangene Fluten angeschwemmt hatten. Auch die weiße Brust des Vogels strahlte zu dieser frühen Stunde rosarot, genau wie die Lukaskirche, deren Türme über die Baumkronen lugten. Laura ließ ihren Blick am Ufer entlangwandern, über die schwarzen Häufchen, die von den Feuern der letzten Nacht geblieben waren, die Bierdosen, ein paar leere Flaschenträger, und blieb an einer zusammengerollten Gestalt mit bloßen Füßen hängen. Kurz verharrte sie, sah wieder zur Wasseramsel und wieder zu dem Bündel Mensch auf der anderen Seite des Flusses.
    Ein Übriggebliebener, dachte sie. Wahrscheinlich hat er zu viel gesoffen letzte Nacht und schläft seinen Rausch aus.
    Die Wasseramsel schwirrte flussaufwärts. Laura ging ebenfalls weiter, wandte sich jedoch nach ein paar Metern um und schaute zu dem Schlafenden zurück. Schlief er überhaupt? Es war wohl besser, nachzusehen, ob ihm nichts fehlte. Der Froschalarm wirkte: Besonders ausgeprägtes
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