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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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lagen. Ein großes Schiff, ein Supertanker mit einem ganzen Fußballfeld auf Deck, zieht an meinem inneren Blick vorbei. Die Sonne funkelt in den Matrosenanzügen der Amerikaner, sie tragen Goldknöpfe und sind sehr reich – und alle werfen den Jungen am Kai Flaggen und Münzen hinunter. Vater hatte es auf diese Weise zu einem kleineren Vermögen gebracht, aber eines Tages, als er draußen spielte, schlich Askild in sein Zimmer, schnappte sich die Sammlung und ging damit ins Wirtshaus.
    »Dieb«, zischt Vater, während Großvater versucht, das Thema zu wechseln.
    Zunächst behauptet Askild, Vater hätte die Münzen irgendwo vergessen, dann wieder, Vater hätte ihm die Erlaubnis gegeben, sie zu verkaufen, Askild hätte nur ein einziges Bier im Corner getrunken und Vater hinterher den Rest des Geldes gegeben.
    »Lügner!« brüllt Vater und beugt sich mit düsteren Augen über den Tisch. »Wir waren damals noch nicht einmal nach Dänemark gezogen!«
    Askild steht der Schweiß auf der Stirn, er schaut hinüber zu Großmutter. Dann erhebt er sich: »Wir gehen jetzt, Bjørk, hier sind wir nicht willkommen!« Er stützt sich auf seinen Stock, der unter dem Tisch immer bereitliegt, doch Bjørk will noch nicht nach Hause: »Askild, es ist erst fünf, mach jetzt um Gottes willen kein Theater.«
    Stinne erscheint und meint, Askild könne doch auch allein nach Hause gehen. Stinne hat in letzter Zeit begonnen, ziemlich naseweis zu werden; sie schwänzt auch die Gymnastikstunden, und Mutter weiß nicht so recht, was sie mit ihr anfangen soll.
    »Kommst du, Bjørk?« drängelt Großvater. Er hat das Wohnzimmer verlassen, steht draußen im Flur und fummelt an den Starkbierflaschen, die er in seine Taschen gestopft hat, um sie vor Vater zu verstecken. Die Trutsche ist im Keller, Askild schaut sich gereizt nach ihr um. Obwohl die Tante fast ebenso alt ist wie Vater, wohnt sie noch immer zu Hause. »Anne Katrine«, ruft er, »wir gehen jetzt!« Nur Großmutter will noch immer nicht mit.
    »Der kleine Knut hat eine Postkarte geschickt«, platzt sie plötzlich heraus und macht ein ziemliches Theater.
    Normalerweise reden die Erwachsenen nie über Onkel Knut; er ist neun Jahre jünger als Vater, ein richtiger Schlingel, der nie zur Ruhe gekommen ist. Oft vergehen Monate oder Jahre, bis irgend jemand etwas von ihm hört; und wenn er endlich einmal schreibt, dann hat er in der Regel Probleme mit unglücklichen kleinen Mädchen und braucht Geld, ist das der Dank? Nicht einmal eine Weihnachtskarte schickt er, der Strolch. Mutter macht sich große Sorgen über all die Frauenschicksale im Kielwasser von Onkel Knut, der mit vierzehn zur See ging und seither kaum ein Lebenszeichen von sich gegeben hat, weil ihm seine Verwandtschaft egal ist. Vater ist der einzige in der Familie, der mit Geld umgehen kann. Immer muß er Großmutter Geld geben, wenn Onkel Knut in Schwierigkeiten ist, denn Askild erträgt den Namen Knut nicht mehr. Seine Gesichtszüge verhärten sich bei der Frage: »Welcher Knut?« Er hat es nie verwunden, daß sein Sohn kurz vor seinem Geburtstag von zu Hause durchgebrannt ist und ihm das Dreigangrad egal war, das Askild gekauft hatte. Das Fahrrad steht noch immer im Tunøvej im Schuppen, fängt Staub und rostet vor sich hin. »Finger weg«, brummt Askild jedesmal, wenn wir dem Rad zu nahe kommen.
    Mutter hingegen meint, Vater sei schön blöd, mit dem Geld so herumzuwerfen, und manchmal, wenn wir abends zu Bett gegangen sind, streiten sie sich wegen Knut. Mutter sagt dann, Onkel Knut würde nie lernen, Konsequenzen aus seinem Leben zu ziehen, solange Vater seinen Arsch rettet, und Vater knurrt, daß er es leid sei, ständig alle zufriedenstellen zu müssen. Obwohl Mutter eigentlich lieber diskutiert als Vater, enden ihre Streitereien häufig damit, daß sie anfängt zu weinen. Ihr Schluchzen dringt dann durch die Wand in mein Zimmer, und ich gehe rüber, um Stinne zu wecken, damit wir unseren Eltern gemeinsam nachspionieren. Leider sehen wir fast immer dasselbe. Mutter sitzt auf dem Sofa und weint, und Vater steht mit dem Rücken zu ihr am Fenster und seufzt, während die Asche seiner Zigarette auf den Boden rieselt. Hinterher möchte ich am liebsten in Stinnes Bett schlafen. Mutter meint, ich sei zu groß für so etwas, aber Stinnes Bett ist viel größer als meins, und sie hat nichts dagegen, wenn ich bloß stilliege.
    Großmutter hat Onkel Knuts Postkarte jetzt aus der Tasche gezogen, und Askild schaut ihr vom Flur her
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