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Hundestaffel

Hundestaffel

Titel: Hundestaffel
Autoren: Stefan Abermann
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vor den Kämpfenden zurückschreckte. Ich verfing mich in dem Tumult, das Adrenalin stieg mir in den Kopf, klopfte an meine Schläfen an, pumpte, pumpte, krampfte mir die Hände zu wütenden Fäusten; ich stieß mir energisch den Weg frei, stürzte durch den Vorhang aus Körpern wie durch ein Geflecht aus Schlingpflanzen, verhedderte mich und hing bewegungsunfähig in der Luft. Ich konnte nur tatenlos mitansehen, wie sich Hannes einige Schritte von mir entfernt gerade vom Boden erhob. Sein Gesicht voller Verachtung. Nosferatu stieg mit kalten Augen aus dem Sarg: unsterblich, unaufhaltsam, der personifizierte Hass. Da blitzte ein sardonisches Grinsen auf – Hannes’ Allheilmittel gegen die Unwägbarkeiten der Welt, mit dem er alles, was sich ihm in den Weg stellte, zur Strecke brachte. Probleme bluteten vor uns aus, wenn Hannes dieses schneidende zweite Gesicht aufsetzte. In diesem Moment, als ich wehrlos in den Seilen der Tanzenden hing und Hannes den Mann anfeixte, fühlte ich alles rund um uns einstürzen. Hannes’ Lachen stieg wie eine wirbelnde Wolke aus Rasierklingen gegen die Saaldecke, sein Lachen hackte in die Fundamente, ließ den Putz bröckeln und riss die Leitungen aus den Wänden. Und aus den Trümmern stieg er auf wie ein Racheengel, die Luft um ihn splitterte, während er zum Gegenangriff überging.
    Er fuhr gegen den Mann, stieß ihn weg, dieser schrie irgendetwas davon, was Hannes mit seiner Freundin vorgehabt hätte, ich konnte mich endlich aus der Menge lösen, stürzte auf die beiden zu, von einer Wolke aus Alkohol und Rage getragen. Der Mann machte noch einmal einen Schritt auf Hannes zu, doch Leo und ich fingen ihn ab. Wir packten ihn an den Armen, rissen ihn zurück. Und dann ab mit ihm zur Tür. Hannes trieb uns voran, die Tür flog auf. Niemand sah nach links, niemand nach rechts. Vielleicht sah uns jemand nach, vielleicht nicht. Wir existierten nicht mehr. Nur noch der Mann, der gegen unseren Griff ankämpfte. Die Tür schloss sich über der Musik wie ein Sargdeckel, mit demselben schmatzenden Geräusch wie bei unserem Eintreten in die Bar.

    Und wieder war die Stille da. Diesmal vor dem Palace. Die Instinkte kickten ein wie Shots, ich versuchte automatisch, mich möglichst laut zu bewegen, um die Ruhe zu verdrängen. Wir stießen den Mann mit lauten Schreien auf den Asphalt, das Schlittern schallte durch die Nacht. Hannes knurrte und sprang auf den Mann zu: „Was ist los, was willst du, Drecksau? Raus damit!“, schrie er auf ihn ein. Ob er Probleme haben wolle, schrie er, dass er sie gerne haben könne, schrie er, dass er sie vielleicht schon habe, schrie er, ob ihm das schon aufgefallen sei, schrie er, und bei jedem Anlauf trat er auf den Mann ein, als wollte er den Takt für seine eigenen Worte schlagen.
    Der Mann versuchte währenddessen immer wieder sich hochzurappeln. Er rollte zur Seite, kam zu stehen und ging nun seinerseits auf Hannes los, ließ seine Arme durch die Luft schwingen. Wieder warfen Leo und ich uns dagegen, ein Hieb des Mannes rauschte durch die Luft, Hannes Augen verengten sich, er duckte sich unter dem Schlag weg. Die Faust des Mannes ging über seinen Kopf hinweg und traf stattdessen Leo. Aus dessen Nase schoss das Blut wie eine Stichflamme. Er heulte auf, der Mann starrte in den roten Regen, überrascht von der Wirkung seines Schlages. Hannes hingegen ließ sich nicht ablenken. Er stand halb gebückt da, mit Leos Schmerzensschreien als Tarnschild, und fixierte seinen Kontrahenten. Die Spannung peitschte durch seine Muskeln, sein Arm schnellte nach vorn, er explodierte förmlich in den Magen seines Gegners. Hannes’ Kiefer traten hervor, seine Faust bohrte sich in den Mann. Der schnappte unter einem erstickten Seufzen nach Luft, versuchte aber immer noch zurückzuschlagen. Schwerfällig holte er aus.
    Ich sah seinen Arm. Und ich sah meinen Arm. Ich fing den Schlag von der Seite ab, griff nach der Faust und nutzte meinen Schwung, um ihm den Arm auf den Rücken zu verdrehen. Der Schrei des Mannes glich eher einem tonlosen Grunzen, einem kreischenden Schnappen nach Luft. Hannes’ Faust krachte gegen die Wangenknochen des Mannes, ein dumpfes Geräusch ertönte, die Vibrationen des Schlages pflanzten sich im Körper des Mannes fort. Ich spürte das Zittern in dem Arm, den ich festhielt. Ich ließ überrascht los. Der Mann kippte schlaff gegen mich.
    Wieder war die Stille da, unterbrochen nur vom Geräusch meines Atems.
    Ich bemerkte erst jetzt, dass ich schnell und
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