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Hunde Jahrbuch

Hunde Jahrbuch

Titel: Hunde Jahrbuch
Autoren: Dreizehn Autoren
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behalten. Neben dem Kamin stand ihre Aktenmappe. Wie befürchtet. Sie hatte vergessen, sie wegzuräumen. Und sie war offen. Auch das hatte Mona befürchtet. Eine Katastrophe schien allerdings nicht passiert zu sein: Die Präsentation war unversehrt. Keine Spur von Fetzen ihrer Wochenendarbeit. Mit einem schnellen Griff kontrollierte Mona den Inhalt der Aktenmappe, besonders die Klarsichtfolie mit den Notizen, die Max heute Vormittag abtippen und bis zwölf Uhr fertig haben sollte. Aber – das Adressbuch! Auf den ersten Blick konnte man sich täuschen, doch es lag seltsam verdreht und in sich zusammengesunken obenauf. Mona nahm es zur Hand. Es war fast dreieckig. Dreieckig gestutzt. Gebissen.
    Mona schlug es auf. Ein dünnes Rinnsal Blut lief aus einem Winkel. Luna hatte ordentliche Arbeit geleistet. Bei A begonnen. Auf den ersten Blick sah es tatsächlich aus, als fehlten nur die Seiten mit A. Mona packte die Hündin, schimpfte und setzte sie in ihren Korb, wo sie die Fetzen von A fand. Sie sammelte sie ein. Ein paar Zahlen ohne Zusammenhang. Sie legte sie auf den Küchentisch. Sie bereitete Kaffee zu. Sie zündete sich eine Zigarette an, obwohl sie normalerweise nie vor dem Frühstück rauchte. A fehlte. A wie Anatol, das war sehr bedauerlich, A wie Amanda, das war eine Katastrophe, A wie Arthur, ein Glücksfall, A wie Armadon, die konnten sich an sie wenden, A wie Annette, die war auch dran, sich zu melden, A wie Alex, den hatte sie ausfindig gemacht nach seinem letzten Umzug, A wie ... Mona fiel nichts mehr ein. Sie schloss die Augen. Sah die Seiten vor sich. A wie Atlas, die hatten ihre Adresse, A wie Agnes, schade, weil sie Agnes, die Weltenbummlerin, höchstens über ihre Eltern ... Wo wohnten die noch mal? A wie Armin. Armin zum Beispiel. Hatte sie fast vergessen. War ihr nicht auf Anhieb eingefallen. Dabei hätte sie Armin gestern noch als einen ihrer besten Freunde bezeichnet. Merkwürdig. Über Nacht vergessen. Lag das vielleicht daran, dass sie seine Telefonnummer gespeichert hatte? Wie lange war es eigentlich her, dass sie nach einem Treffen mit Armin das Gefühl gehabt hatte, es wäre ein rundum schöner, lohnenswerter Abend gewesen? Hatte sie das überhaupt schon mal gehabt? Bestimmt war A kein unersetzlicher Buchstabe. A sollte nicht als beispielhaft gelten. A war ein dummer Zufall. B hätte ein Desaster bedeutet. Wer stand noch mal unter B? Nein, B war ein schlechtes Beispiel. B war ja auch als Buchstabe nicht ernst zu nehmen. Ziemlich weit vorne, aber doch im Schatten des ewig Ersten. Nein, es gab viel zu viele Leute, die hießen Bauer oder Berger oder Beate. Mindestens fünf Frauen namens Beate kannte Mona bestimmt, da war sie sicher, auch wenn ihr im Moment keine einfiel. S wäre ein Unglück gewesen!  
    Nachdenklich ging Mona ins Bad. Sie wusste, dass sie fünf volle Seiten S im Adressbuch hatte. Sie bekam nicht mal eine zusammen. Am besten, sie legte ein neues Buch an. Vielleicht gleich elektronisch, so wie es jetzt alle hatten. Das ist nicht die Lösung, hörte sie ihre innere Stimme. Um diese Zeit wollte sie keine Sprechstunde abhalten. Man musste doch nicht immer aus allem ein Problem machen. Sie war über dreißig und da hatte sich im Lauf des Lebens allerhand angesammelt. Schrott und Verwertbares. Auf jeden Fall zu viel, viel zu viel. Hin und wieder geschah es, wenn auch seltener als früher, dass Mona eine Freundschaft angetragen wurde, sich ein Mensch um sie bemühte. Sie reagierte dann mit Panik. Bitte bloß keine neuen Freunde, sie kam ja nicht mal mit denen zurecht, die sie seit Jahren kannte, dauernd hatte sie Freundschaftsschulden, musste wo anrufen, sollte sich hier und da melden und mit der ins Kino, mit dem Skifahren und mit der Wasserskifahren ausprobieren, um Gottes Willen, bitte keine neuen Bekanntschaften! Manchmal, wenn Mona irgendwo warten musste, blätterte sie in ihrem Terminplaner ein halbes Jahr nach vorne, dorthin, wo außer den Geburtstagen fast nichts stand, höchstens mal ein Seminar oder ein Jubiläum. Viel Weiß. Darin weidete sie sich eine wohltuende Weile. Die meisten ihrer Freundschaften waren alte Gewohnheiten. Klar hatte sie Zeit für ihre Freundin Vroni, wenn die mal in der Stadt war, schließlich war sie mit Vroni zur Schule gegangen, und Vroni zu treffen bedeutete, sich zu vergewissern, dass die eigene Vergangenheit tatsächlich passiert war. Als Zeitzeugin reichte Vroni. Da musste nicht auch noch Bessi dazu. Obwohl – wenn Vroni sterben würde, hätte
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