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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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damit deutlich machen, daß es allerhöchste Zeit wird, unseren anthropozentrischen Standpunkt, der Mensch sei das Maß aller Dinge, in Frage zu stellen. Er wackelt bedrohlich.
    Unsere Hunde gehören nicht uns. Sie sind nicht unser Besitz. Genausowenig wie unsere Kinder. Sie sind uns – um ein schönes altmodisches Wort zu benutzen - anheimgegeben. Wir tragen die Verantwortung für sie, sind verpflichtet, für sie zu sorgen; aber nichts auf der Welt berechtigt uns, nach Belieben über sie zu verfügen. Sie sind nicht dümmer als wir, denn sie wissen, im Gegensatz zu uns, was gut und richtig für sie und ihre Art ist – sie sind nur unserem bösartigen Großhirn nicht gewachsen. Nicht der ist im Recht, der die Macht hat, Gewalt auszuüben, sondern wer ohne Not Gewalt ausübt, begibt sich außerhalb des Rechts.
    Wenn Sie mit mir diese Grundeinstellung teilen, dann versuchen Sie mal, die allgemeine Einstellung speziell Hunden gegenüber unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Wir lassen sie willkürlich zu Zerrbildern mutieren, benutzen sie als Waffe, als Spielzeug, als Statussymbol. Und in jeder dieser aufgezwungenen Rollen werden sie von den erklärten Hundefeinden beschimpft, verhöhnt, in jeder möglichen Weise geschurigelt, ja es wird ihnen – Gipfel menschlicher Hybris – ihre Daseinsberechtigung abgesprochen. Man darf sie quälen, schlagen, foltern, verstümmeln, lebenslänglich einsperren und wegschmeißen wie einen alten Hut. Wir verändern ihren Genpool und sind entsetzt über das Ergebnis, wenn es dann zu denaturierten Beiß-Freaks führt. Wir benutzen ihren Namen – wie übrigens die Namen aller Tiere, vornehmlich unserer sogenannten Haustiere – als Schimpfwörter der übelsten Sorte und verklären den Inhalt dieser üblen Verleumdungen gleichzeitig als Mirakel: «Du Sohn einer Hündin», eine todeswürdige Beleidigung! Aber Romulus und Remus, die Erbauer Roms, verdanken ihr
    Leben einer Wölfin, die sie säugte und deren Statue die bedeutendsten Museen in aller Welt schmückt.
    Meine Damen und Herren, es ist nachweisbar, daß wir Menschen uns zum überwiegenden Teil wie die Tollhäusler verhalten, und nur unsere Gattung hat diesen grünen Planeten folgerichtig in die Ruine eines Tollhauses verwandelt. Tiere – welche auch immer –waren daran nicht beteiligt, und unsere geschmähten Hunde schon gar nicht. Vor wenigen Wochen ist hier in Dortmund wieder einmal eine der großen Hundevorzeigeshows zu Ende gegangen. Die sogenannte «Europasiegerzuchtschau». Über sechstausend Hunde waren anwesend.
    Die Genetik ist eine der brisantesten Wissenschaften und eine der kompliziertesten. Hochkompetente Wissenschaftler dieses Zweiges, die ihr Leben mit der Forschung auf diesem Gebiet zugebracht haben, streiten sich über Sachfragen auf allerhöchster Ebene und sprechen sich wahrscheinlich die Kompetenz jeweils ab.
    Ein deutscher Zuchtrichter, aus Gründen seiner «reichen Erfahrung mit der Hundezucht» zu einem solchen erwählt – nicht ausgebildet (wie denn auch und von wem denn?) –, ein deutscher Richter findet in Minutenschnelle den Besten seiner Rasse heraus. Wohlgemerkt und noch einmal: nicht den Schönsten – es war ja kein simpler Schönheitswettbewerb –, sondern den Besten, den, nach dessen edlem Samen alle Hündinnen besitzer – die Hündinnen werden nicht gefragt (auch so eine Gemeinheit)  nun den großen Run beginnen werden.
    Was sieht der Richter denn nun also? Was kann er sehen? Der Hund steht da, ohne umzufallen. Er ist in der Lage, an der Leine im Kreis zu laufen. Er hat alle Zähne und zwei Hoden. Er ist sauber und gekämmt und gebürstet. Bis zur Unkenntlichkeit bei langhaarigen Rassen. Da kann er, was das Körperliche angeht, gar nichts sehen, denn Gebäude- und Gangwerkfehler verschwinden unter einem Wust von fixierten und, sehr häufig, gefärbten Haaren. Diese Hunde können die Pokale schon mal an ihren Friseur weiterreichen.
    Wissen Sie: Ich hätte für mein Leben gern mal einen ausgewachsenen Komondor gesehen. Es soll ja ein schöner großer Hund sein, wenn man ihn aus seinen bis zu zwanzig Kilo standardgemäß verfilzter dreckiger Wolle befreit hat. Dann entspräche er aber nicht mehr dem Standard und könnte beispielsweise niemals Europasieger werden!
    Der Standard ist das, wonach sich der Richter zu richten hat. Dem ist aber nicht so. Ich habe Hunde mit V1 benotet den Ring verlassen sehn, die schon bezüglich Größe und Gewicht weit über oder unter dem Standard lagen. Der
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