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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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des Landes, dem die betreffende Rasse zugehört.
    Dem Richter auf Ausstellungen, aber auch dem potentiellen Käufer sollen damit Richtlinien an die Hand gegeben werden. (Merke: Bei uns werden Zuchtrichter ernannt. Nicht ausgebildet!) Im ersten Fall etwas, wonach sich der Richter orientieren soll und muß, im zweiten eine Bewertungsmöglichkeit auch und gerade für den Laien. Der allerdings kauft mit dem Welpen immer die Katze im Sack, denn aus dem dickbäuchigen Etwas, das mit zirka acht Wochen in erster Beglückung nach Hause getragen wird, soll ja erst der mehr oder weniger in den Standard passende Hund werden. Deshalb ist es ja doch wichtig, daß auch wenigstens ein erwachsenes Exemplar in Augenschein genommen werden kann. Im Idealfall natürlich der Erzeuger, denn die Hündin sieht am Ende der Säugezeit ziemlich ramponiert aus – auch bei bester Pflege – und es gehört schon etwas Sachverstand dazu, sie sich im «Normalzustand» vorzustellen.
    Außerdem gibt es recht unscheinbare Hundemütter, die mit Regelmäßigkeit nur das Äußere des Rüden weitergeben. Die Vaterkinder laufen gewissermaßen nur durch sie durch. Und hier schon ergeben sich erste Zweifel am Sinn des Standards. Er gibt eben nur das Optische wieder, kann gar nichts anderes bewirken, die genetischen Eigenschaften des betreffenden Hundes müssen verdeckt bleiben, können bei der Benotung keine Rolle spielen.
    Die erwähnte Hündin zum Beispiel ist eine vorzügliche Vererberin, gebiert problemlos und ist eine optimale Mutter. Dennoch wird sie auf sogenannten Zuchtshows niemals mit «vorzüglich» bewertet werden, ihr glanzloses Äußeres verweist sie auf die hinteren Ränge. Der Standard will es so. Und der Besitzer der Hündin wird Schwierigkeiten haben, für sein minderbewertetes Tier einen erstklassigen – wenigstens erstklassig aussehenden – Rüden zu bekommen. Wieviel wertvolles Erbgut durch die Überbewertung der äußeren Form der jeweiligen Rasse verlorengeht, darüber gibt es keine Statistik, aber der Niedergang so vieler Rassen spricht eine deutliche Sprache. Was ist schon Schönheit? Wie viele glänzende Eltern haben unbedeutende Kinder und vice versa.
    Ich denke da an den armen August Goethe, der an seinem überlebensgroßen Vater zugrunde ging. Oder – mit einem Riesensprung nach vorn und nach unten – an so manchen Nachwuchs berühmter Schauspieler.
    Da zieht so ein Mädchen, äußerlich der Abklatsch des hervorragenden Tyrone Power, des Helden zahlreicher Hollywood-Filme, mit einem Männchen, das wie ein Buchhalter einer Miederwarenfabrik aussieht, durch die Lande und piepst jahrelang unentwegt dasselbe Liedchen. Auf italienisch, und das Männchen singt die zweite Stimme. (Versuche, ein weiteres Lied unter die Leute zu wispern, sind kläglich gescheitert.) Man verzeihe mir diese Abschweifung …
    Eine mögliche Gewähr für wertvolle Nachzucht kann der Standard also schon aus erwähnten Gründen nicht garantieren. Was kann er dann? Er kann noch weiter selektieren, so lange, bis von der betreffenden Rasse so gut wie nichts mehr übrig ist. Indem er beispielsweise die Verpaarung von Elterntieren verhindert, die der jeweiligen Rasse gut anstehen würden. Da hat zum Beispiel ein Boston Terrier, der im übrigen ohne Makel ist, das eine Auge nicht im schwarzen Fellbereich. Dies aber schreibt der Standard zwingend vor. Und – schwupp ist der schöne kleine Hund raus aus der Zucht. Bei einer Rasse mit hierzulande so geringem Potential ist dies ein großer Fehler, nicht die Fehlfarbe. «Fehlerhaft getragene» Ohren oder Schwänze, insgesamt etwas zu große oder zu kleine Exemplare – es geht da oft um Zentimeter, muß man wissen –, nicht die ideale Behaarung – «zu weich, zu fest, zu lockig, nicht lockig genug»–, alles Dinge, die nichts mit der Gesundheit, dem Wesen, nicht einmal etwas mit dem Formwert oder der «Schönheit», wie immer man die definieren will, zu tun haben.
    Das Beispiel Deutsche Dogge (sie heißt außerhalb Deutschlands überall «Great Dane», also «Großer Däne»!). Es gibt sie in fünf Farbschlägen, die untereinander meist nicht verpaart werden dürfen. Die Folgen: Da es von diesem sehr großen Hund verständlicherweise nicht allzu viele gibt – zirka tausend Welpen pro anno, insgesamt! –, führt das Verpaarungsverbot verschiedener Farben notwendigerweise zur Inzestzüchtung und schließlich zu erbarmungswürdiger Degeneration, physisch und psychisch. Zumal auch Farbfehler der Augen – «zu hell,
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