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Hund aufs Herz

Hund aufs Herz

Titel: Hund aufs Herz
Autoren: Gert Haucke
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bringt …

Über vierhundert Hunderassen gibt es. Angeblich. Eher mehr. Und ich rede jetzt nur über die «amtlichen». Die mit einer F.C.I.- Nummer und Papieren mit Stempel: Geprüft und für gut befunden von der Hunde-Weltregierung: Plopp!
    Was soll das? Wem nützt das? Für wen ist das gut? Tja, für wen? Wozu brauchen wir zirka sechzig Jagdhundrassen? Angesichts der weithin schwindenden Wälder und der wuchernden Städte. Wen oder was sollen sie jagen und warum? Mit den zum Teil überbordenden Wildbeständen in Mitteleuropa wird der grüngewandete Sockenfabrikant aus Wanne-Eickel schon fertig, und die natürlichen Regulierer – vom Wolf über Marder, Iltis, Bär und Dachs – sind so gut wie ausgerottet. Wozu also diese Unmengen meist hochspezialisierter Jagdhundrassen?

Wer vieles bringt …

Wer vieles bringt …

Da hat man Fachidioten zum Teil über Jahrhunderte herausgezüchtet, die nun arbeitslos verkümmern.
    Oder was sollen die Hütehunde hüten? Welche Ratten sollen die Pinscher «pinchen»(to pinch = kneifen)? Welche Wach- und Schutzfunktionen sollen die auf diesen Aufgabenbereich hin Gezüchteten noch übernehmen? Im Fall der Fälle werden sie doch sofort vom hohen Magistrat zu Leine und Maulkorb verurteilt. Im Wiederholungsfall zum Tode, wie im Mittelalter.
    Die Wahrheit ist: Fast alle unsere Hunde sind funktionslos geworden, arbeitslose Spezialisten, die von Haß verfolgt werden wie Asoziale. Daß wir unsere Hunde mehr denn je brauchen, auch wenn wir sie kaum noch «gebrauchen», hat sich in Europa noch nicht herumgesprochen – in Amerika ist man da wie so oft weiter.
    Was wir ganz sicher nicht brauchen, ist dieser wahnsinnige Rassenkatalog, der ein einziger Etikettenschwindel ist. Wenn man die Rassen jeweils auf ihre Ursprünge zurückführt, schnurren die aufgespleißten Fäden wieder zu einem dicken Tampen zusammen. Und was bleibt, sind Prototypen:
    So ist der Cairn Terrier natürlich ein «Westie», nur eben nicht weiß, der Landseer natürlich ein Neufundländer (den es groteskerweise auch in Schwarzweiß gibt!), und beide gleichen zahlreichen großen Hütehunden, wie den polnischen, portugiesischen und spanischen Mastini. Die Belgischen Schäferhunde sind nahezu deckungsgleich mit den weitgehend unbekannten Holländern, alle Bracken stammen aus den gleichen Wurzeln, ein Welsh Terrier ist ein Lakeland – den Unterschied soll mir mal einer malen –, Pinscher und Schnauzer waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein und dieselbe Rasse, beide Varianten fielen in einem Wurf. Cesky und Sealyham Terrier sind engstens verwandt, wie letztlich alle Terrier. Und der nigelnagelneue Jack Russell ist ein ganz altmodischer Fox Terrier, was sonst?

Wer vieles bringt …

Wer vieles bringt …

In das Geheul der Züchter hinein möchte ich feststellen, daß die Aufspaltung in zahllose angebliche Rassen den Hunden wahrlich nicht gut bekommen ist. Im Grunde ist es nämlich bei den wenigen Prototypen geblieben. Aber die Spaltung in zahllose Gruppen und Grüppchen hat aus vielen Gründen, aber auch und vor allem durch ein zu schmales Zuchtpotential wie ebenso durch sinnlose, nur dem Züchter nützende Massenvermehrung, den Hunden nicht gutgetan. Physische und psychische Defekte sind an der Tagesordnung, von denen vor hundert Jahren keiner wußte.
    Ich habe mal einen Abend mit Professor Schleger, einem international anerkannten Kynologen, zusammengesessen. Wir haben überlegt, wie viele «Rassen» es wohl gäbe, wenn der Mensch darauf verzichtete, sich gottähnlich zu gebärden und Geschöpfe nach seinem krausen Sinn zu formen. Wir kamen auf fünf:
    Ein Terrierartiger, ein mittelgroßer Jagdhund, ein Windhundtyp, ein Pinscher-Schnauzer-Geselle und ein etwas schwererer, doggenartiger Hund, nicht größer als der heutige Bullmastiff. Behaarung zwischen rauh und stockhaarig – im mediterranen Bereich kurzhaarig –, alle Farben, diverse, nie erhebliche Varianten. Schluß.
    In zehn Jahren etwa wäre es soweit: keine Riesen mehr, keine Minihunde. Wenn man Rüde und Hündin zueinander ließe, wie sie es sich wünschen. Und dies in Maßen. Ist das nun eine so schreckliche Vorstellung?
    Denken Sie doch mal darüber nach: vierhundert Hunderassen?
    Wozu?

 «Setz dir Perücken auf
    von Millionen Locken
    … du bleibst doch immer, was du bist» *
     
    Was ist ein Standard? Nun, was das «Hundewesen» angeht: die akribische Beschreibung des Idealtyps einer Rasse, entwickelt und herausgegeben von den zuständigen Vereinen
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