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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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jenes mächtigen und lärmenden Monarchen, des souverainen Volkes, kennen, um zu entdecken, daß ungeachtet alles dieses Lärms und Kriegsgeschreies, die berühmte Stadt Neu-Amsterdam nun nicht um ein Haar besser gerüstet war, als zuvor. Wiewohl das Volk, als die erste Angst verflogen und kein Feind vor den Thüren war, gefunden hatte, daß sie die bravste Macht unter der Sonne seyen, so hegten doch die geheimen Räthe Peter Stuyvesants darüber einige Zweifel. Sie fürchteten sogar, der gestrenge Held werde zurückkommen und finden, daß sie, statt seinen Befehlen zu gehorchen, ihre Zeit mit Anhören des herzhaften Pöbels verschwendet hätten, den er bekanntlich sehr verachtete.
    Um daher die verlorene Zeit so gut als möglich wieder einzubringen, wurde ein großer Divan der Räthe und Burgermeister gehalten, um über den kritischen Zustand der Provinz und die weisesten Maßregeln zur Rettung zu berathschlagen. Ueber zwei Dinge war diese ehrwürdige Versammlung schlechterdings einig: – erstens, daß die Stadt in Vertheidigungsstand gesetzt werde; zweitens, daß keine Zeit verloren werden dürfe, da die Gefahr dringend sey – und nun ging es über ein Reden und Streiten her, welches kein Ende fand. Um diese Zeit kam nämlich die Seuche, viel zu reden, auch über dieses vorher so glückliche Land. Sie zeigt sich überall, wo weise Männer versammelt sind, und entsteht, wie einige Physiker glauben, von der schlechten Luft, die sich bei einer versammelten Menge erzeugt. Nun auch führte man die Schätzung nach dem Stundenglas ein, und fand, daß der der weiseste Redner sey, der am längsten über eine Sache gesprochen hatte. Derselben Messung dürfen wir denn auch die Sitte unter den Niederländern zuschreiben, den Werth der Bücher nach ihrer Schwere zu beurtheilen.
    Die plötzliche Liebhaberei an endlosen Reden soll, wie einige Philosophen meinen, nebst anderen barbarischen Gewohnheiten, einer Ansteckung von den wilden Nachbarn den Ursprung verdanken, die für lange Reden und Berathungs-Feuer bekannt sind, auch nie eine Sache von einiger Wichtigkeit unternehmen, ohne ihre Häuptlinge und alten Männer darüber zu hören. Aber die eigentliche Ursache war, daß das Volk die Leute zum großen Rath lieber nach ihrer Fähigkeit, viel zu reden, wählte, als nach dem seltneren und wichtigeren Talent, den Mund zu halten. Es folgte daraus, daß dieser Körper aus den Geschwätzigsten zusammengesetzt war, und Jeder über alles mitredete, ob er es nun verstand oder nicht. Es war eine alte Sitte, die Häuptlinge im Kriege so zu begraben, daß jeder Krieger seinen Schild voll Erde auf den Leichnam trug, bis ein großer Erdhügel daraus entstand, so wurde auch hier durch das Quantum Weisheit, welches ein Jeder zutrug, der Berathungsgegenstand am Ende glücklich begraben.
    Jetzt erhoben sich die alten Factionen der Langpfeifen und der Kurzpfeifen, die Peter Stuyvesant mit seinen herculischen Fäusten fast erwürgt hatte, mit zehnfacher Heftigkeit wieder. Die alten Partheistreitigkeiten waren längst erloschen, allein es ist immer das Schicksal der Partheinamen gewesen, daß sie die Leute noch lange, nachdem ihre Bedeutung aufgehört hatte, zur Wuth reizten. Um die allgemeine Verwirrung voll zu machen, wurde das verhängnißvolle Wort Oekonomie , das schon unter Wilhelm dem Eigensinnigen zu Grabe getragen war, im Rathe von Neu-Amsterdam wieder flott, wie der Apfel der Zwietracht im Saal der Götter – nach welchem heilsamen Grundsatz man lieber zwanzigtausend Gulden für einen schlechten Vertheidigungsplan zum Fenster hinauswarf, als für einen guten dreißigtausend Gulden ausgab – indem so die Provinz reine zehntausend Gulden sparte.
    Als es aber über die Vertheidigung zu Debatten kam, gab es einen Zungenkrieg, der nicht beschrieben werden kann. Was von einem Langpfeifen vorgeschlagen war, wurde natürlich von der ganzen Reihe der Kurzpfeifen verworfen, die es als ihre erste Pflicht ansahen, den Sturz der Langpfeifen zu bewirken, als ihre zweite, sich auf den Thron zu schwingen, und als dritte, das Wohl des Landes zu fördern. Dieses war eigentlich nur das Glaubensbekenntniß der aufrichtigen Partheigänger; die große Menge aber ließ die dritte Rücksicht gar nicht mit entscheiden.
    Bei dieser großen Collision harter Köpfe muß man es bewundern, daß unter so vielen Vertheidigungs-Projecten keins zu finden war, das schon existirt hätte, außer in den ganz neuen Zeiten, Projecte, die das Windmühlensystem des
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