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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi
Autoren: Nicola Förg
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zu viel Fernsehen.«
    »Irmgard!« Lissi nannte sie nur sehr selten bei ihrem Taufnamen. »Irmgard, meine beste Nachbarin von allen: Du siehst öfter Leichen. Da bist du aber nicht so durch den Wind. Also doch ein besonders widerliches Exemplar?«
    »Du hast bloß eine Nachbarin.«
    »Wurscht. Aber sag mal, was ist los?«
    Irmi blies die Luft aus. »Der Tote ist Martin.«
    »Wer?«
    »Martin. Martin Maurer.«
    »Was für ein Martin Maurer?«
    Irmi stöhnte. »Lissi, bitte!«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis Lissi schaltete. »Martin, dein Exmann? Der Martin?«
    Ja, genau der Martin. Den sie mit dreißig geheiratet und mit fünfunddreißig aus ihrem Leben verbannt hatte. Der sie Jahre ihres Lebens gekostet hatte. Dessen Namen sie bis heute nicht aussprechen wollte. Martin Maurer, der nun tot im Keller lag.
    Bevor Lissi noch etwas sagen konnte, wurde ein Mann an Irmis Tisch geführt, der sich als »Riedele, Riedele Anderl« vorstellte. Irmi hatte zwar kurz geduscht und trug nun eine Jeans und T-Shirt, aber ihre widerspenstigen Haare gaben sicher ein wildes Bild ab. Sie war müde und überdreht zugleich. Der Allgäuer Kommissar seinerseits schien aber auch nicht gerade ein Modekenner zu sein und wirkte ein bisschen wie eine Allgäuer Ausgabe von Kottan. Und sein BMI war sicher auch nicht in Ordnung.
    »Frau Mangold?«
    Irmi nickte.
    »Freut mich. Man hört ja so einiges von Ihnen.«
    Ob das gut oder schlecht war, blieb offen. Wer »man« war, ebenfalls. Der Mann sprach diesen schwäbischen Dialekt, halt, nein, sie hatte als Erstes in Oberstaufen gelernt, dass Allgäuer alles waren, bloß keine Schwaben. Nun ja, Werdenfelser waren auch keine Tiroler und Loisachtaler keine Garmischer. Sie konnte problemlos den Dialekt von Farchant und Eschenlohe unterscheiden, doch diese Schwaben oder eben Nichtschwaben klangen in ihren Ohren alle gleich.
    Irmi sagte erst mal nichts, ihr Gegenüber schien auch nicht gerade eine Plaudertasche zu sein, und so schwiegen sie sekundenlang und maßen sich mit Blicken. Dann kam vom Allgäuer: »Ganget mer num ins Stüble. Do isch es ruhiger.«
    Im Stüble hing dann auch noch ein Poster, das besagte, dass das Büble wieder da sei. Dass es sich dabei um eine Bierspezialität handeln musste, kapierte Irmi gerade noch. Ihr kam das alles komplett surreal vor. Sie hatte ein Bild vor Augen: Martin mit seinen braunen Augen, wovon das eine kaum merkbar schielte. Eine ihrer Freundinnen hatte nach der Scheidung gesagt, sie sei froh, den los zu sein. Man habe ja nie gewusst, wo der hinsehe. Als ob so was zählte.
    Irmi versuchte die Bilder abzuschütteln und sich auf den Allgäuer Kollegen zu konzentrieren.
    »Bringt des eabbas?«
    »Was?«
    »Die Schrothkur?« Anderl Riedele schaute sie zweifelnd an.
    »Na ja, wir sind erst vier Tage hier.«
    »Frau Kollegin, Sie sind ganz recht, wie Sie sind. Nix essa isch ganz schlecht für die Psyche. Kässpatza, Krautwickel und Schupfnudla sind guat.« Der Allgäuer klopfte sich auf den Bauch. Demnach war seine Psyche absolut in Ordnung.
    Irmi lächelte schief. Riedele hatte recht. Nix essen machte einen ganz kirre, tote Exmänner im Keller übrigens auch.
    Anscheinend war der private Teil nun um, denn der Allgäuer konnte auf einmal Hochdeutsch: »Schildern Sie mir bitte mal das Ereignis aus Ihrer Sicht.«
    Irmi blickte ihn überrascht an. Anderl Riedele gab vordergründig den Trottelinspektor, in Wirklichkeit aber steckte da ein waches Köpfchen hinter dem Allgäuer Gebrumme. Sie musste lächeln. Eigentlich war der wie sie. Ein bisschen trampelig nach außen, aber tief drinnen hellwach. Irmi begann zu erzählen.
    Als sie geendet hatte, fragte der Allgäuer bedächtig: »Sie kennen den Mann?«
    Irmi schluckte. »Ja, ich kenn ihn. Das Ganze ist mehr als bizarr. Der Mann heißt Martin Maurer und ist …« Irmi rechnete nach. Sie hatte ihn mit dreißig geheiratet, da war er siebenundzwanzig gewesen. »… neunundvierzig Jahre alt. Ich habe keine Ahnung, wo er jetzt lebt oder was er macht.«
    Anderl Riedele schaute sie prüfend an. »Sie kannten den Mann mal besser?«
    Was für eine Frage! Sie war versucht herauszuschreien: Nein, genau das war ja das Problem. Ich habe geglaubt, ihn zu kennen. Stattdessen sagte sie mit beherrschter Stimme: »Er ist mein Exmann.« Sie horchte dem Satz hinterher. Vier Worte, vier lächerliche Worte für so viel Hoffnung und Scheitern.
    Der Allgäuer sagte nichts. Lange. »Frau Mangold, Sie sind eine Kollegin. Ich muss Ihnen nicht sagen,
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