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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi
Autoren: Nicola Förg
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»Haben Sie reanimiert?«
    Die Dame schüttelte den Kopf. Es folgte ein gebetsmühlenartig wiederholtes »So was ist mir noch nie passiert«.
    Die Frage, ob sie einen Arzt informiert hätte, konnte sich Irmi schenken. Der trat übrigens in diesem Moment auf den Plan. Es war der Kurarzt, der die Eingangsuntersuchung gemacht und bei der Gelegenheit ihren BMI bemängelt hatte. Er hatte außerdem behauptet, dass ein bisschen Fettreserve ab einem bestimmten Alter nicht schade, allein das Bauchfett sei das gefährliche, denn es fördere sogar Demenz.
    Der Mann trat an das Packbett, untersuchte den Mann und drückte ihm am Ende die Augen zu.
    »Tot.«
    »Ach was!«, entfuhr es Irmi.
    »Und was machen Sie hier, Frau Mangold?«
    Gerne hätte Irmi schwungvoll ihre Polizeimarke präsentiert, aber sie war im Bademantel und darunter nackt, mit zu viel Fettreserve.
    »Ich bin von der Polizei. Maria«, sie nickte der Packerin zu, »hat um Hilfe gerufen.«
    »Aha«, sagte er, »aber das ist ja kaum eine Sache der Polizei. Sind Sie hier überhaupt zuständig?«
    Wie sie so was hasste! Neunmalkluge Schwätzer, und das vor fünf in der Früh. »Durchaus, wir sprechen von einer örtlichen und einer sachlichen Zuständigkeit. Zweitere betrifft alle Polizeiorgane, also auch mich. Und was die Behörde vor Ort betrifft, werden wir die gleich mal anrufen.« Polizeiorgane, was redete sie, sie war im Hungerwahn, eindeutig. Und genervt!
    »Ja, aber …«
    »Lieber Herr Doktor. Sie wollen mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass Sie hier ›natürlicher Tod‹ ankreuzen werden? Ein vorher noch putzmunterer Mann mittleren Alters liegt eine Stunde später tot im Wickel?«
    Irmi wandte sich an die Packerin. »Wann haben Sie ihn eingewickelt? Hat er da irgendwie komisch auf Sie gewirkt? Oder sogar krank?«
    »Um halb vier ist er runtergekommen. Er war gut drauf. Besser als … besser als Sie … äh … die meisten so früh morgens. Der wirkte auf mich sowieso recht fit.«
    »Wann haben Sie ihn gefunden?«
    »Um halb fünf.«
    »Wieso sind Sie eigentlich noch mal zu ihm reingegangen?«
    »Das mach ich immer«, erklärte die Packerin. »Zur Kontrolle. Die meisten schlafen eh.«
    »Woher wussten Sie denn, dass er nicht nur schläft?«
    »Sein Wickel war nicht mehr korrekt gewickelt. Da bin ich hin. Hab ihn angesprochen, ob was nicht stimmt. Da war er …« Sie brach ab.
    Irmi trat wieder näher an den Mann heran. In der Tat war der nicht richtig gewickelt. Und dann traf es sie wie ein Blitz. Sie schwankte kurz.
    Der Arzt griff nach ihrem Arm. »Alles in Ordnung?«
    »Ich kenne den Mann.« Wie schwer fiel ihr dieser Satz. »Können Sie bitte die Kollegen von der zuständigen Polizei informieren? Dieser Todesfall kommt mir merkwürdig vor. Da muss eine Spurensicherung her. Dieser zerstörte Wickel – Sie werden mir zustimmen, dass man die Sache nicht einfach so unter den Tisch kehren kann. Selbst wenn das am Ende ein gewöhnlicher Herzinfarkt war.«
    Irmi versuchte sachlich und souverän zu wirken, doch in ihrem Inneren raste ein Feuer, das sich schnell ausbreitete. Vom Magen die Kehle hinauf. Und wieder hinunter zu den Knien, die ihr nicht gehorchten. Sie sank auf den Stuhl, den der Arzt ihr hingestellt hatte.
    Er nickte, schrieb irgendwas in den Totenschein.
    Irmi erhob sich. »Wir sollten den Raum verlassen, und es sollte auch niemand mehr hineingehen.« Immer noch kamen klare Sätze aus ihrem Munde. Komisch, dass das Gehirn dazu in der Lage war mitten im Seelenfeuer.

    Gegen halb sechs saßen sie übermüdet im Restaurant. Inzwischen war die Besitzerin des Hauses eingetroffen, und ein paar Gäste und Angestellte hatten wohl etwas mitbekommen, darunter auch Lissi.
    »Was ist denn los?«, wollte sie wissen.
    »Im Keller liegt ein Toter. Und der ist ganz sicher nicht auf natürlichem Weg gestorben.«
    Lissi lachte auf. »Na, du bist lustig! Selbst hier im Urlaub stolpert die Frau Kommissarin über Leichen.«
    Lissi hatte so laut gesprochen, dass es jeder mitbekommen hatte. Im Raum wurde getuschelt. Ein Toter war schließlich eine echte Sensation im eintönigen Schrothgekure. Und diese Frau da drüben, die war von der Polizei? Sah gar nicht so aus.
    »Himmel, Lissi!«
    »Tschuldigung.« Lissi senkte die Stimme. »Ein echter Toter?«
    »Kennst du unechte Tote?«
    »Blöde Nuss! Nein, im Ernst. Was ist denn passiert? Ist er entstellt? Erschossen? Erwürgt? Lila im Gesicht, weil sie ihn vergiftet haben? So richtig widerlich?«
    »Lissi, du schaust
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