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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht
Autoren: Rainer M. Schroeder
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später. Jetzt sag mir erst einmal, ob du einen guten Magen hast.«
    Sandro sah ihn verständnislos an. »Wie meinst du das?«
    »Kannst du Blut sehen?«
    Sandro zögerte. Was sollte die Frage? Vorsichtig nickte er. »Ich habe schon eine Menge Blut gesehen und es ist mir nicht mehr und nicht weniger auf den Magen geschlagen als den anderen, mit denen ich zusammen gewesen bin.«
    »Wo war das?«
    »Auf dem Schlachtfeld von Valdilamone.«
    Riccos Brauen fuhren in die Höhe. »Wo die Mailänder Söldnertruppen das Heer der Florentiner geschlagen haben?«
    Sandro nickte.
    »Und auf welcher Seite hast du gekämpft?«
    »Auf beiden«, sagte Sandro knapp.
    Ricco lachte schallend auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, als hätte Sandro gerade einen Scherz gemacht. »Auf beiden Seiten? Jaja, so sind sie, die condottieri. Sie wechseln die Fronten, je nachdem, wer ihnen mehr Geld bietet.« Dann wurde er wieder ernst. »Also gut. Ich sehe, du bist genau der Richtige.«
    »Dann ist Sandro also mit von der Partie?«, vergewisserte sich Luca freudig erregt.
    Ricco nickte. »Von mir aus ist er das. Dann sind wir zu dritt. Das macht die Sache noch leichter und sicherer. Außerdem hat mich die Armbrust auf eine Idee gebracht. Also gut, Sandro. Jetzt hör dir erst einmal an, was für einen Auftrag ich erhalten habe und was du dabei für eine Rolle spielen könntest.« Er beugte sich vor über den Tisch und senkte seine Stimme so weit, dass sie nur noch ein Flüstern war.
    Je länger Ricco sprach, desto blasser wurde Sandro. Und während draußen über dem Dorf die heiße Mittagssonne ein Stück weiterwanderte, nahm Sandros Leben, das bis dahin viele Jahre ziellos verlaufen war, eine folgenschwere Wendung.

3
    D ie steilen Bergzüge des Apennin mit ihren beschwerlichen Wegstrecken hatte die Reisegruppe, die mit ihren drei Fuhrwerken und vier beladenen Maultieren unterwegs nach Florenz war, schon vor Tagen hinter sich gelassen. Doch immer wieder hatten kleinere Bergkämme, die wie lange erdfarbene Finger in die Ebene ragten, den Männern die Sicht auf ihre Heimatstadt am Arno versperrt. Nun aber lag das Herz der stolzen Republik Florenz, mit deren Reichtum, Macht und Ruhm sich wohl nur Venedig und Mailand auf italienischem Boden messen durften, vor ihren Augen.
    »Die Muttergottes und alle Heiligen seien gepriesen! Da unten liegt sie, die leuchtende Lilie und der Stolz der ganzen Toskana – und beneidet von der ganzen Welt!«, rief der Fuhrmann Pippo Truffano mit überschwänglicher Freude. Wieder einmal hatte er die lange Reise nach Venedig und zurück heil überstanden. »Die Heimat hat uns wieder, gottlob wohlbehalten an Leib und Seele.«
    Auch die anderen Männer jubelten und schickten manch inniges Dankgebet zum Himmel. Einige sanken auf die Knie und küssten den heimatlichen Boden.
    Tessa Brunetti, die neben dem Fuhrmann saß, hatte zwar keinen Grund zum Jubeln, aber auch sie war erleichtert, dass sie nun bald das Ziel der anstrengenden Reise erreicht hatte. Noch heute würde sie erfahren, welcher Herrschaft sie in dieser fremden Stadt zu Diensten sein musste. Bislang hatte sie nur in Erfahrung bringen können, dass ihr neuer Herr den Namen Benvenuto Panella trug und dass er durch den Handel mit Teppichen, Wandbehängen und Glaswaren reich geworden war.
    Mit gemischten Gefühlen blickte sie von der Anhöhe hinunter auf die von einem hohen Mauerring umschlossene Stadt mit ihrem dicht gedrängten Häusermeer und dem Fluss Arno. Der Strom floss in einem sanften Bogen als trübschlammiges Band durch die Stadt. Dabei trennte er etwa ein Drittel des Stadtgebietes, das sich am linksseitigen Ufer auf leicht ansteigendem Gelände erstreckte, von dem gut doppelt so großen Teil von Florenz jenseits des rechten Uferstreifens. Die zinnengekrönten Mauern rund um die Stadt ragten hoch auf und waren in regelmäßigen Abständen mit trutzigen Wehrtürmen bestückt.
    Tessa hatte noch nie solch mächtige steinerne Bollwerke zu Gesicht bekommen, kannte sie aus Venedig doch nur das labyrinthische Netz von Kanälen. Dort gab es nirgends Stadtmauern und Wehrtürme, sondern nur die weite Lagune und eine Flotte von Kriegsschiffen.
    »Ist das nicht ein erhabener Anblick?«, fragte Pippo Truffano voller Stolz. »Das ist die Stadt, deren Namen man überall auf der Welt kennt und rühmt, wo Kaufleute Handel treiben und wo viel Geld im Spiel ist.«
    »Dann seid Ihr wohl mit Recht stolz darauf, dass Ihr ein Florentiner seid«, erwiderte Tessa
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