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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht
Autoren: Rainer M. Schroeder
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einem alten Mann. Er wünschte ihr, dass sie es gut antraf in Florenz bei ihrer neuen Herrschaft.
    Als die kleine Karawane hinter einer Biegung verschwunden war und nur noch eine sich langsam herabsenkende Staubwolke von ihr kündete, wagte Sandro sich hinunter auf die Landstraße.

2
    U nablässig brannte die Sonne mit unbarmherziger Kraft vom Himmel. Hitzetrunkene Stille umgab Sandro, während er müde und hungrig über die staubige Landstraße in Richtung Florenz wanderte. Den ganzen Morgen lang hatte er niemanden um ein Almosen anbetteln können. Die wenigen Bauern auf den kargen Feldern und die Reisenden, die ihm entgegenkamen, bedachten ihn nur mit einem mürrischen Blick. Sie hatten nicht einmal ein Wort für ihn, geschweige denn eine noch so kleine milde Gabe.
    Ein schwerer Duft nach Kräutern entströmte der warmen Erde, dem ausgedörrten Gras und den Olivenbäumen, die sich über weite Teile der rauen, sanft gewellten Hügellandschaft erstreckten und deren Blätter silbrig in der Sonne schimmerten. Hier und da erhoben sich zwischen den verbrannten Grasschollen schlanke, hochwachsende Zypressen, die stolz wie Gardesoldaten auf den Kuppen von Anhöhen aufragten und sich als schwarze Scherenschnitte vor dem gleißenden Himmel abhoben.
    Immer wieder kam er an kleinen Gehöften vorbei, deren Ziegeldächer und gedrungene Gebäude aus erdfarbenem Gestein wie ungewöhnlich geometrische, aber doch natürliche Auswüchse der Landschaft wirkten. Und da sie aus terra cotta bestanden, aus gebackener Erde, war das nicht einmal weit hergeholt.
    Sandro machte sich bei ihrem ärmlichen Anblick erst gar nicht die Mühe, von der Landstraße abzubiegen und dort um eine Mahlzeit zu betteln oder gar um Arbeit nachzufragen. Damit hätte er nur auf einem der großen Landgüter Erfolg. Die meisten von ihnen lagen ein gutes Stück abseits der Landstraße und er ermahnte sich, besser auf Hinweise und ausgefahrene Abzweigungen mit langen schattigen Baumalleen Ausschau zu halten.
    Noch bevor die Sonne ihren höchsten Punkt am Himmel erklommen hatte, führte ihn die Straße in ein kleines Dorf. Nur wenige schäbige Häuser und ein schmalbrüstiges Gotteshaus drängten sich um einen kleinen staubigen Platz mit einem runden, von Feldsteinen eingefassten Brunnen in der Mitte. In der lähmenden Mittagshitze war niemand auf den Beinen.
    Verschwitzt und durstig steuerte Sandro geradewegs auf den Brunnen zu, nahm den Holzeimer vom Rand, ließ ihn am Seil in den Schacht hinunter und zog ihn gut gefüllt wieder zu sich herauf. Er trank gierig und in großen Schlucken, dann schüttete er sich den Rest des Wassers über den Kopf und über die staubbedeckten Arme.
    »Heiliger Christophorus, täuschen mich meine Augen oder bist du es wirklich, Sandro Fontana?«, rief plötzlich eine aufgeregte Stimme.
    Sandro schüttelte sich und rieb sich das Wasser aus den Augen. Als er erkannte, wer da auf ihn zukam, trat ein ungläubiger Ausdruck auf sein Gesicht.
    »Luca?«, stieß er überrascht hervor und stellte den Eimer auf den Brunnenrand zurück. »Luca Lopardi? Bist du’s wirklich? Was, in Gottes Namen, hat dich in diese trostlose Gegend verschlagen?« Er konnte es kaum glauben, dass ihm ausgerechnet hier, in diesem verlassenen Dorf mitten in der Toskana, ein alter Freund aus dem fernen Ferrara über den Weg lief.
    Luca Lopardi, ein schlaksiger, sehniger Bursche mit krausen rabenschwarzen Haaren und dem kräftigen Gebiss eines Ackergauls, verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Der launische Wind des Schicksals, und der hat offenbar auch dich hierhergeweht. Lass dich umarmen, alter Freund!« Er schlang seine langen Arme um Sandro und hieb ihm kräftig auf den Rücken.
    »Wo kommst du her? Und wo willst du hin? Was hast du alles erlebt, seit wir uns nicht mehr gesehen haben? Zwei Jahre muss das jetzt her sein …«, sprudelte es aus Luca hervor, als er Sandro wieder losgelassen hatte. Er lachte auf. »Ja, ich bin immer noch der Alte, ich rede und rede und lasse dich nicht zu Wort kommen. Wie früher, nicht wahr?«
    Sandro grinste. In der Tat, Luca hatte sich nicht verändert. »Ich bin auf dem Weg nach Florenz. Dort will ich Geld verdienen und sesshaft werden.«
    »Das kann warten! Jetzt müssen wir erst einmal unser Wiedersehen feiern. Komm, lass uns in die Dorfschenke gehen und uns einen Becher kalten Weißen genehmigen«, schlug Luca aufgeregt vor. »Viel macht dieses dunkle Loch zwar nicht her, aber der Trebbiano ist ganz passabel. Außerdem
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