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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Ich wollte mich doch nur … heimlich hier … hier waschen … weil doch meine … meine Zeit im Monat gekommen ist … Ich kann nicht vor aller Augen …« Sie brach ab und biss sich auf die Lippe.
    »Du lügst!«, fuhr der Kerl namens Gino sie an. »Ihr Tscherkessinnen lügt doch alle! Ihr taugt sowieso nur für das eine! Dass ihr die Beine breit macht!« Damit stieg er aus dem Wasser, ging zu dem Mädchen und packte es grob am Arm, als wollte er es wieder zurück in den Teich ziehen.
    Angstvoll blickte das Mädchen zu Sandro herüber.
    »Lass sie sofort los!«, befahl er scharf. Er hob die Armbrust, setzte den Schaft an die Schulter, legte den Bolzen ein und richtete die Waffe auf den Mann. »Loslassen habe ich gesagt – oder du hast heute deinen letzten Sonnenaufgang gesehen!«
    Der Mann erstarrte, ließ den Arm der jungen Frau jedoch nicht los. »Und wer sagt mir, dass du überhaupt triffst?« Seine Stimme klang schon nicht mehr so forsch.
    »Ich treffe, verlass dich drauf!«, erwiderte Sandro kalt. »Auf die kurze Entfernung gibst du ein Ziel ab, das man gar nicht verfehlen kann!«
    Der Mann blickte unschlüssig zu seinem Kumpan, der noch immer im Wasser stand, und dann wieder zu Sandro. »Wenn du glaubst, wir wären nur zu zweit, dann irrst du dich gewaltig. Unsere Leute lagern da oben an der Straße.« Er deutete mit seinem freien Arm schräg hinter sich auf eine Reihe von Bäumen und mannshohen Sträuchern. »Die werden kurzen Prozess mit dir machen, wenn du einem von uns auch nur einen Kratzer zufügst!«
    »Darauf lasse ich es ankommen«, erwiderte Sandro betont lässig. Er fühlte sich längst nicht so mutig, wie er tat, aber er dachte nicht daran, sich das anmerken zu lassen. »Und ob sie schnell genug hier unten sind, um mich zu fassen, bevor ich im Wald untertauche, wage ich zu bezweifeln. Deshalb tust du besser, was ich gesagt habe.«
    Der Mann im Teich wurde unruhig. »Wozu der Streit? Das ist die kleine Sklavin doch gar nicht wert. Die Tscherkessin hat ordentlich Wasser geschluckt. Das wird ihr eine Lehre sein. Komm, Gino, lass uns zurückgehen zu den anderen. Ich habe Hunger und ich will nicht nur die Reste von Francescos gutem Essen abbekommen.«
    »Das ist ein Argument, das ich gelten lasse, Maso!«, brummte der andere und stieß das Mädchen grob von sich. In Sandros Richtung sagte er großmäulig: »Aber bilde dir bloß nicht ein, dass du mir mit deiner Armbrust Angst eingejagt hättest!«
    »Nein, wie könnte ich auch!«, gab Sandro grimmig zurück.
    Das Mädchen warf ihm einen dankbaren Blick zu. Mühsam richtete sie sich auf, wandte den Männern den Rücken zu und streifte sich rasch das Kleid über.
    Der Mann versetzte ihr einen derben Stoß in den Rücken. »Na los, ein bisschen Bewegung!«, befahl er und setzte höhnisch hinzu: »Du hast dich ja wohl lange genug beim Baden erholt.«
    Hämisch lachend trieben die beiden das junge Mädchen vor sich her. Bald hatten sie den Rand der Lichtung erreicht und verschwanden zwischen den Bäumen.
    Sandro atmete tief durch. Das hätte leicht ins Auge gehen können. Aber angesichts der Hilflosigkeit des Mädchens hatte er einfach nicht wegschauen können. Er hoffte, dass die beiden Grobiane sie in Zukunft wenigstens ein bisschen in Ruhe lassen würden.
    Während er seine Armbrust richtete, überschlug er rasch seine Möglichkeiten, wohin er sich nun wenden sollte. Die Reisegruppe, zu der die junge Tscherkessin gehörte, war anscheinend wie er auf dem Weg nach Florenz. Von ihr auf der Landstraße eingeholt zu werden wollte er lieber vermeiden. Deshalb schlug er einen weiten Bogen um das Lager und setzte sich auf einen schattigen Hügel, von dem aus er die Landstraße aus sicherer Entfernung überblicken konnte.
    Während er wartete, wanderten seine Gedanken wieder zu dem Sklavenmädchen zurück. Welches Schicksal wohl auf sie wartete? Er hatte davon gehört, dass es in vielen Städten Sklavenmärkte gab und dass dort Menschen aus Tscherkessien, Griechenland, Nordafrika und aus dem Osmanischen Reich der Türken verkauft wurden. Wie das Mädchen wohl nach Italien gekommen war? Bestimmt war es auf einem Sklavenmarkt an eine Florentiner Herrschaft verkauft worden.
    Schließlich hatte das Warten ein Ende, denn er erblickte drei schwer beladene Ochsenfuhrwerke, vier bepackte Maulesel und einen Reiter zu Pferd. Gemächlich zogen sie unter ihm vorbei. Er sah genauer hin. Wo war die junge Tscherkessin? Ja, da saß sie, vorn auf einem der Fuhrwerke, neben
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