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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht
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    Es ist besser, diesen hochmütigen Bruder möglichst bald auf seinen Platz zu verweisen, dachte Bertrand. Ich werde nicht zulassen, dass er die Unterhaltung bestimmt.
    Thomas wollte widersprechen, neigte dann jedoch zustimmend den Kopf. »Ich habe Dover zum Fest des heiligen Benedikt verlassen und bin nach Harfleur an der französischen Küste übergesetzt. Von dort…«
    Bertrand hörte nur mit halbem Ohr zu, während Thomas von seiner Reise erzählte, und nickte hin und wieder ermutigend. Doch die Geschichte selbst interessierte ihn nicht. Es war der Mann, der ihn ins Grübeln brachte.
    Bruder Thomas war ein überaus ungewöhnlicher Mann, der ein ungewöhnliches Leben geführt hatte… für einen Mönch ebenso wie für einen weltlichen Mann. Er entstammte einer der mächtigsten Familien Englands, den Nevilles, und verkehrte mit Prinzen und Herzögen. Selbst Eduard III. hatte sich lobend über ihn geäußert. Thomas hatte auf vielen Feldzügen überall in Europa gekämpft, hatte sich große Verdienste erworben und den Reichtum der entfernteren Neville-Familie ebenso genossen wie den seiner eigenen Anwesen. Thomas hätte am englischen Hof in phantastische Höhen aufsteigen können: Gott wusste, dass er die rechte Abstammung, genügend Reichtum und Freunde von edler Abkunft und Gönner besaß. Und dann hatte er all das weggeworfen, hatte sich von seinem Leben in Wohlstand und Macht abgekehrt und war dem Orden der Dominikaner beigetreten.
    Und das alles einer Frau wegen, die auf schreckliche Weise gestorben war und für deren Tod sich Thomas Neville so sehr verantwortlich fühlte, dass er nun offenbar den Rest seines Lebens mit Buße und dem Dienst an Gott verbringen wollte.
    Der Ordensgeneral Englands, Richard Thorseby, hatte Thomas Neville nur sehr ungern in den Predigerorden – die Dominikaner – aufgenommen und hatte ihn lange geprüft, bevor er ihm schließlich, eher widerwillig, das Gelübde abgenommen hatte.
    Männer wie Thomas brachten meistens Ärger mit sich.
    Andererseits konnte er für die Interessen der Dominikaner sehr nützlich sein – wenn man ihn richtig behandelte.
    Bertrand lächelte höflich, als Thomas eine amüsante Anekdote über sein Leben an Bord des Schiffes mit den ungehobelten Kaufleuten erzählte, doch seine Gedanken waren ganz woanders.
    Warum hatte sich Thomas für die Dominikaner entschieden? Die Bettelmönchsorden, von denen der der Dominikaner am mächtigsten war, nahmen ihre Gelübde der Keuschheit, Armut und des Gehorsams sehr ernst. Mönche blieben ihr gesamtes Leben lang arm, durften keinen Besitz haben oder luxuriös leben… im Unterschied zu vielen der höheren Geistlichen der römischen Kirche.
    Wenn Thomas sich den üblichen Orden der Kirche angeschlossen hätte, dachte Bertrand, hätte er innerhalb von zwei Jahren Bischof werden können, in zehn Jahren Kardinal und hätte innerhalb von zwanzig Jahren darauf hoffen können, Papst zu werden. Doch er hatte Armut und Bescheidenheit gewählt statt Macht und Reichtum. Warum nur?
    Aus Frömmigkeit?
    Der Familie wegen?
    Das, was Bertrand über die Nevilles wusste, gab keinerlei Anlass zu der Vermutung, dass einer von ihnen Frömmigkeit über Macht gestellt hätte, aber die Wege des Herrn waren unergründlich.
    »Und nun hofft Ihr also, Eure Studien hier fortführen zu können«, fasste Bertrand zusammen, als Thomas seine Geschichte beendet hatte.
    »Meine Kollegen in Oxford…«
    Bertrand nickte. Thomas hatte zwei der letzten fünf Jahre damit verbracht, an einem Collegium in Oxford zu unterrichten.
    »… sprachen stets von den Wundern Eurer Bibliothek. Es heißt«, und Thomas breitete beinahe entschuldigend die Hände aus, als würde er selbst nicht glauben, was er gehört hatte, »dass die Bibliothek von Sant’ Angelo umfangreicher sei als jene, die von den Geistlichen des Petersdoms verwaltet wird.«
    »Nun, schließlich seid Ihr jetzt hier, Bruder Thomas. Ihr müsst also doch etwas von dem glauben, was Ihr gehört habt.« Bertrand rutschte leicht auf dem harten Bett hin und her. Seine Hüften und Schultern schmerzten in der kalten Zelle, und er schalt sich dafür, dass er sich wünschte, der junge Mann würde gehen, damit er unter die Decke kriechen konnte.
    »Aber es stimmt«, fuhr Bertrand fort. »Wir haben tatsächlich eine gute Bibliothek. Viele Generationen lang wurde unser Kloster von den Päpsten großzügig unterstützt« – Bertrand sagte nicht, wieso, und Thomas fragte
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