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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung
Autoren: L. A. Weatherly
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rieb sich über das Gesicht und versuchte, nicht schon wieder die einstürzende Stadt vor sich zu sehen. Oder Wesley und Trish, wie sie zusammen mit der tobenden Menge schreiend hinter ihnen hergerannt waren. Er fühlte sich abgrundtief erschöpft. »Das heute war … am schlimmsten«, sagte er endlich. »Aber es könnte immer noch schlimmer werden. Also, denkt darüber nach. Denkt darüber nach, was es heißt, weiterzumachen. Ich wäre niemandem böse, der lieber versuchen würde, sich irgendwo versteckt in den Bergen ein eigenes Leben aufzubauen.«
    Sam schnaubte. »Wer zum Teufel will das schon? Also, ich bin dabei, das kann ich dir jetzt schon sagen.« Er lehnte an einem umgestürzten Baumstamm und versuchte, sich anders hinzusetzen. Sein verletztes Bein streckte er steif nach vorne. »Kommt gar nicht in die Tüte, dass ich mich nach allem, was heute passiert ist, irgendwo verkrieche und tatenlos zusehe.«
    »Ich komme auch mit«, sagte Liz leise.
    Willow räusperte sich und mied seinen Blick. »Wir werden darüber nachdenken, okay? Und geben dir dann morgen Bescheid.«
    Wir. Alex versuchte, den kurzen stechenden Schmerz zu ignorieren. »Ja, klar«, sagte er und warf noch einen Ast ins Feuer. »Es wird sowieso ein paar Tage dauern, bis wir wieder in den USA sind – falls ihr überhaupt dort hinwollt«, fügte er hinzu.
    Seb schaute Willow erneut prüfend ins Gesicht. »Ich glaube, das wissen wir noch nicht so genau«, sagte er.
    Danach hatten sie für eine Weile nur wenig gesprochen. Obwohl das Feuer etwas herunterbrannte, hielt es die nächtliche Kühle ab. Sam verschränkte die Arme vor der Brust und machte die Augen zu. Er sah so aus, als schliefe er schon halb im Sitzen. Irgendwann stand Liz schließlich auf, um die zweite Flasche Wasser aus dem Auto zu holen. Als sie nicht zurückkam, ging Alex ihr nach und fand sie schlafend auf dem Vordersitz zusammengerollt. Sie sah zu Tode erschöpft aus. Er wollte sie schon wecken, damit sie ins Zelt gehen konnte, aber dann beschloss er, sie nicht zu stören. Sie war hier ganz gut aufgehoben, er und Sam würden auf der Rückbank schlafen. Sich Seb und Willow in demselben Zelt vorzustellen, das er mit ihr geteilt hatte, war ein weiterer Schlag in die Magengrube, aber er würde es wohl überleben. Nach dem heutigen Tag konnte er alles überleben.
    Als er zum Lagerfeuer zurückkam, schnarchte Sam. Willow und Seb waren offensichtlich in ein Gespräch vertieft. Bei seinem Auftauchen unterbrachen sie sich. Willows angespannte Miene bewirkte, dass er sich wie ein Eindringling vorkam. Und, dass er den Arm um sie legen und nie wieder loslassen wollte -ein Gefühl, das ihm im Moment so was von gestohlen bleiben konnte.
    »Ich hole noch mehr Feuerholz«, sagte er brüsk und ging davon, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Ganz in der Nähe lag eine vom Mondlicht überflutete Lichtung. Alex setzte sich mit dem Rücken an einen Felsen und hob den Blick zum Himmel. Dort waren sie, die vertrauten Sternbilder – genau wie nach dem Tod seines Vaters und nach Jakes Tod. Sie hatten sich nicht verändert. Die Konstellationen am Nachthimmel blieben stets vorhersehbar, unabhängig davon, ob die eigene Welt gerade aus den Angeln gehoben worden war. Bisweilen hatte er das beruhigend gefunden, bisweilen hatte es ihn aber wütend gemacht. Jetzt fühlte er sich einfach nur wie betäubt; kalt, wie das Sternenlicht.
    In Wesley und Trish wütete das Angelburn-Syndrom. Verdammt, er hatte gewusst, dass Wesleys Arm sich noch nicht wieder gebessert hatte. Er hätte niemals zulassen dürfen, dass er mitkam. Okay, vielleicht war niemand von ihnen gestorben, aber das Angelburn-Syndrom war Alex schon immer wie ein Schicksal vorgekommen, das fast schlimmer war als der Tod: Es raubte einem Menschen jegliche Entscheidungsfreiheit. Wenn er seine Sache besser gemacht hätte, schneller dort gewesen wäre, den Angriff noch gestoppt hätte, dann wäre vielleicht nichts passiert. Und ob Kara und Brendan überhaupt noch am Leben waren, wusste er ja noch nicht einmal. Selbst wenn es ihnen irgendwie gelungen war, aus dem Torre Mayor herauszukommen, wie hoch standen die Chancen, dass sie es noch rechtzeitig aus der Stadt geschafft hatten? Oder dass Juans alter Van dem Geschlinger auf den bebenden Straßen gewachsen gewesen war?
    Alex presste die Finger an den Nasenrücken, als die Gedanken auf ihn einhämmerten. Er hatte keine Antworten. Nicht eine einzige. Und jetzt würde die Welt niemals mehr dieselbe sein, und er musste
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