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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Autoren: Evelyn Sanders
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überzeugen lassen. »Na schön, vielleicht bist du ja zufällig mit dem Leben davongekommen, aber es gibt doch auf Schritt und Tritt Gefahren. Schlangen zum Beispiel und Malaria und angeschossene Elefanten und Haie und giftige Käfer …«
    »Natürlich, Mutti, und alle tummeln sich am Strand und warten auf Touristen. Dir ist wirklich nicht zu helfen!«
    »Dir auch nicht. Wie kann man nur zum zweitenmal in ein so unzivilisiertes Land fahren wollen? Keine zehn Pferde würden mich dahin bringen.«
    »Stimmt, ohne Flugzeug geht’s nicht«, hatte ihr Mann geantwortet und dann schleunigst das Thema gewechselt, bevor Frau Antonie wieder mit ihren physikalischen Kenntnissen herausgerückt wäre, wonach ein Flugzeug schwerer als Luft ist und schon deshalb gar nicht fliegen kann. Daß es dies trotzdem tut, mußte auf ein Wunder zurückzuführen sein, und darauf sollte man sich nicht verlassen. Wunder sind selten, sogar in Lourdes. Niemals in ihrem ganzen Leben würde Frau Antonie ein Flugzeug besteigen. Basta!

    Nervös schritt Florian vor der dunkelbraunen Holztür auf und ab. Der Herr Direktor telefoniert, hatte die Sekretärin gesagt und Florian wieder auf den Flur geschickt. Mit dem Oberschulamt, hatte sie mit wichtiger Miene hinzugefügt, da dürfe der Herr Direktor nicht gestört werden. Auch nicht, wenn er einen Termin habe. Lange könne es aber nicht dauern, und der Herr Bender möge bitte draußen warten.
    Das war dem Herrn Bender gar nicht recht. Er hatte sich sowieso schon über die unchristlich frühe Zeit aufgeregt, zu der er in die Schule bestellt worden war, und nun marschierte er seit exakt sieben Minuten von einer Wand zur anderen und versteckte sich jedesmal hinter dem Garderobenständer, sobald er Schritte auf der Treppe oder hinten in der Halle hörte. Nicht auszudenken, wenn ihn Tobias oder Julia hier sehen würde. Die hatten doch keine Ahnung von der bevorstehenden Unterredung.
    Endlich öffnete sich die Tür. »Der Herr Direktor läßt bitten.«
    Der Herr Direktor schien nicht viel zu tun zu haben. Sein Schreibtisch war makellos aufgeräumt, er selbst thronte im Bewußtsein seiner uneingeschränkten Autorität dahinter, erhob sich beim Anblick seine Besuchers jedoch andeutungsweise vom gepolsterten Armstuhl und reichte Florian seine fette Hand. Alles an ihm war fett: die Hängebacken, das Doppelkinn, der Bauch, über dem sich eine altmodische Uhrkette spannte, und sogar sein Lächeln.
    »Was führt Sie denn zu mir, mein lieber Herr« – kurzer Blick auf den Terminkalender – »Bender?«
    Ausführlich erläuterte Florian, was ihn hierhergeführt hatte, und bat um Urlaub für seine Kinder Tobias, Klasse 13, und Julia, Klasse 11. Der Herr Direktor lehnte ab. Das war um 8.19 Uhr. Um 8.37 Uhr gab er der Möglichkeit Raum, zumindest Julia freizustellen. Um 8.51 Uhr – es hatte inzwischen zur Pause geläutet – versprach er, den Fall auch hinsichtlich des Schülers Tobias zu überdenken. Als Punkt 9 Uhr die Sekretärin mit dem Joghurt für den Herrn Direktor erschien, hatte Florian seine Tochter bereits freigekämpft und gönnte sich eine Atempause. Unterdessen löffelte der Herr Direktor sein fettarmes Milchprodukt.
    Die zweite Runde begann Florian mit einem Loblied auf Tobias, der schon drei Sommerferien lang auf seine Erholung verzichtet habe, um sich in das Heer der arbeitenden Bevölkerung einzureihen und Führerschein und Winterurlaub selbst zu verdienen. Letzteres erwähnte Florian natürlich nicht, es hätte dem mühsam aufgebauten Image seines Sohnes widersprochen. Nach Florians Schilderung war Tobias total überarbeitet, schon jetzt von dem bevorstehenden Abiturstreß geschlaucht und spätestens im Februar dringend erholungsbedürftig.
    »Es ist doch hinreichend bekannt, daß völliges Abschalten, quasi ein Wegtauchen aus dem Alltag, effizientere Erfolge zeitigt als landläufige Wochenenden im häuslichen Umfeld.« Was quatsche ich da bloß zusammen? dachte Florian entsetzt, redete aber unverdrossen weiter. Die Sonne sei es, die uns Mitteleuropäern fehle, worauf wohl auch in erster Linie der Leistungsabfall vieler Schüler zurückzuführen sei. Tobias sei ein Paradebeispiel für diese These, deutlich erkennbar an den Zensuren, die im Sommerhalbjahr immer viel besser ausgefallen waren, und wenn man berücksichtige, daß das mündliche Abitur schon im Mai … und das nach einem bestimmt wieder sonnenarmen Frühjahr … Der Herr Direktor müsse doch einsehen, daß diese Aussicht ein
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