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House of Night 7. Verbrannt

House of Night 7. Verbrannt

Titel: House of Night 7. Verbrannt
Autoren: P.C. Cast
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Werk gedeih!«
    Neferet holte tief Atem, und Kalona sah, wie die dunklen Fäden, die sie gerufen hatte, zwischen ihren vollen roten Lippen wimmelten. Sie atmete Finsternis ein, bis sie davon anschwoll, und dann legte sie ihren Mund auf seinen und blies ihm die Schwärze in einem finsteren, blutbefleckten Kuss mit solcher Kraft ein, dass seine bereits verwundete Seele von seinem Körper losgerissen wurde. Schreiend in lautloser Qual wurde Kalona nach oben geschleudert, immer höher und höher, in das Reich, aus dem seine Göttin ihn verbannt hatte, während sein Körper zurückblieb – leblos, gefesselt, durch Eid an das Böse gebunden und Neferet auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Rephaim
    D er Klang der Trommel war wie der Herzschlag eines Unsterblichen: stetig, packend, überwältigend. Im Takt seines strömenden Blutes dröhnte sie durch Rephaims Seele. Dann gesellten sich im Rhythmus der Trommelschläge die uralten Worte hinzu, legten sich um seinen Körper, bis noch im Schlaf sein Puls gänzlich mit der alterslosen Melodie verschmolz.
    Uralter Schlaf, erwarte dein Erwachen,
    wenn Erdenmacht vergießet heilig Blut.
    Was Königin Tsi Sgili sann – das Mal getroffen –
    spült ihn nun aus dem Grab, wo er geruht,
    sangen die Frauenstimmen in seinem Traum. Verführerisch kreiste das Lied wie ein Labyrinth, weiter und weiter.
    Durch Hand der Toten wird er sich befreien,
    grausame Schönheit, schreckliche Gestalt,
    und beugen werden Weiber sich von neuem
    ihm, der regiert mit finsterer Gewalt.
    Die Musik war eine geflüsterte Verlockung. Ein Versprechen. Eine Gnade. Ein Fluch. Die Erinnerung daran, was sie vorhersagte, säte Unruhe in Rephaims schlafenden Körper. Er zuckte mit den Gliedern und murmelte wie ein verlassenes Kind: »Vater?«
    Die Melodie schloss mit dem Reim, der sich Rephaim vor Jahrhunderten ins Gedächtnis eingebrannt hatte:
    Süß klingt und mächtig Kalonas Weise –
    Wir reißen die Beute mit glühendem Eise.
    »… mit glühendem Eise.« Selbst im Schlaf reagierte Rephaim auf die Worte. Er erwachte nicht, aber sein Herzschlag beschleunigte sich, seine Hände ballten sich zu Fäusten, sein Körper spannte sich an. Auf dem schmalen Grat zwischen Schlaf und Wachen stolperte der Trommelschlag plötzlich, versiegte, und die leisen Stimmen der Frauen wurden von einer anderen verdrängt, männlich, tief und nur zu vertraut.
    »Verräter … Feigling … Betrüger … Lügner!«
Die Worte waren Urteil, Verdammnis. Ihr wütender Strom fraß sich in Rephaims Traum und riss ihn gewaltsam in die Wirklichkeit.
    »Vater!« Mit einem Ruck setzte Rephaim sich auf und warf dabei die alten Zeitungen und Pappstücke ab, aus denen er sich ein Nest gebaut hatte. »Vater, bist du hier?«
    Aus dem Augenwinkel nahm er eine flirrende Bewegung wahr und schnellte vorwärts, um aus dem mit Zedernholz ausgekleideten Wandschrank nach draußen zu spähen, wobei er sich den verletzten Flügel schmerzhaft stauchte.
    »Vater?«
    Im Herzen wusste er, dass Kalona nicht da war, noch bevor der lichte Schimmer die Gestalt eines Kindes annahm.
    »Was bist du?«
    Rephaim richtete seinen brennenden Blick auf das kleine Mädchen. »Hinweg mit dir, Spuk.«
    Statt zu verblassen, wie es angebracht gewesen wäre, kniff das Kind die Augen zusammen und musterte ihn sichtlich neugierig.
»Du hast Flügel, aber du bist kein Vogel. Und du hast Arme und Beine, aber du bist kein Junge. Und deine Augen sind auch wie bei einem Jungen, nur rot. Also, was bist du?«
    In Rephaim wallte Zorn auf. Wie der Blitz sprang er aus dem Wandschrank, was in seinem Körper ein gleißendes Feuerwerk aus Schmerz auslöste, und landete ein, zwei Schritte vor dem Gespenst – ein Raubtier, gefährlich und zu allem bereit.
    »Ich bin ein lebendig gewordener Albtraum, Geist! Geh und lass mich in Frieden, ehe du erkennen musst, dass es weit schlimmere Dinge zu fürchten gibt als den Tod!«
    Bei seinem Sprung war das Geisterkind einen kleinen Schritt zurückgewichen, bis es mit der Schulter an die Scheibe des tiefliegenden Fensters stieß. Dort aber blieb es stehen und betrachtete ihn weiter mit neugierigem, klugem Blick.
    »Du hast im Schlaf nach deinem Vater geschrien. Ich hab dich gehört. Mich täuschst du nicht. Ich bin ganz schön schlau, und ich kann mich an Sachen erinnern. Außerdem jagst du mir keine Angst ein, weil du in Wahrheit doch nur verletzt und allein bist.«
    Und der Geist des kleinen Mädchens kreuzte trotzig die Arme vor der schmalen Brust,
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