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House of Night 7. Verbrannt

House of Night 7. Verbrannt

Titel: House of Night 7. Verbrannt
Autoren: P.C. Cast
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warf das lange blonde Haar zurück und verschwand. Rephaim blieb zurück, genau wie sie gesagt hatte: verletzt und allein.
    Er lockerte die Fäuste. Sein Herzschlag beruhigte sich. Schwerfällig stolperte er in sein improvisiertes Nest zurück und ließ den Kopf gegen die Wand sinken.
    »Jämmerlich«, murmelte er. »Der Lieblingssohn eines uralten Unsterblichen muss sich unter Müll und Lumpen verstecken und mit einem menschlichen Kindergespenst herumärgern.« Er versuchte zu lachen, aber es gelang ihm nicht. Zu laut war noch das Echo der Musik aus seinem Traum, aus seiner Vergangenheit. Und das jener anderen Stimme – derjenigen, von der er geschworen hätte, dass sie seinem Vater gehörte.
    Er konnte nicht mehr stillsitzen. Ohne sich um den Schmerz in seinem Arm und die dumpfe Qual zu kümmern, aus der sein Flügel zu bestehen schien, stand Rephaim auf. Er hasste die Schwäche, die von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Wie lange war er schon hier, verwundet, erschöpft von seiner Flucht aus dem Bahnhof, eingezwängt in diesen Kasten in einer Wand? Er konnte sich nicht erinnern. War ein Tag vergangen? Oder zwei?
    Wo war sie? Sie hatte gesagt, sie werde in der Nacht zu ihm kommen. Doch hier war er, an dem Ort, wohin sie ihn gesandt hatte, und es war Nacht, doch Stevie Rae kam nicht.
    Er stieß einen bitteren Laut aus, verließ sein Nest im Wandschrank und ging an dem Fenster, vor dem sich das kleine Mädchen materialisiert hatte, vorbei zu einer Tür, die auf eine Dachterrasse führte. Instinktiv war er, als er kurz nach Sonnenaufgang hier angelangt war, nach oben in den ersten Stock gestiegen. Zu dieser Zeit waren selbst seine gewaltigen Kräfte aufgezehrt gewesen, und er hatte sich einzig nach Sicherheit und Schlaf gesehnt.
    Jetzt war er nur zu wach.
    Er blickte auf das verlassene Museumsgelände hinunter. Das Eis, das tagelang vom Himmel gefallen war, war versiegt, aber überall an den hohen Bäumen, mit denen die sanften Hügel rund um das Gilcrease-Museum und das heruntergekommene Haus bepflanzt waren, sah man gesplitterte oder niedergebogene Äste. Mit seiner hervorragenden Nachtsicht konnte Rephaim nicht die kleinste Bewegung wahrnehmen. Die Wohnhäuser zwischen dem Museum und dem Zentrum von Tulsa waren fast genauso dunkel wie auf seiner frühmorgendlichen Wanderung. Verstreut in der Landschaft blinkten kleine Lichter – nicht der gewaltige, strahlende elektrische Lichterreigen, den Rephaim erfahrungsgemäß mit modernen Städten verband. Es waren schwache, flackernde Kerzen, nichts verglichen mit der Fülle an Macht, die diese Welt zu entfalten in der Lage war.
    Natürlich lag darin nichts Geheimnisvolles. Wie die Äste und Zweige der Bäume waren auch die Leitungen, die Strom in die Häuser der modernen Menschen brachten, unter dem Eis zusammengebrochen. Rephaim war klar, dass das für ihn von Vorteil war. Auf den Straßen lagen außer einigen abgebrochenen Ästen und etwas Müll keine großen Hindernisse, und wäre nicht die große elektrische Maschine ausgefallen, hätte das Alltagsleben in der Stadt wieder begonnen, und Menschen wären in das Museum geströmt.
    »Die fehlende Elektrizität hält die Menschen von hier fern«, murmelte er. »Aber was hält
sie
fern?«
    Mit einem Schrei purer Frustration zerrte Rephaim die baufällige Tür auf. Seine aufgewühlten Nerven verlangten nach der Freiheit des offenen Himmels. Die Luft war kühl und schwer von Feuchtigkeit. Tief über dem Wintergras hingen Nebelschwaden wie unbewegliche Wellen, als scheute die Erde seinen Blick.
    Rephaim richtete die Augen nach oben und holte tief und zitternd Luft, versuchte den Himmel einzuatmen. Gegen die verdunkelte Stadt wirkte dieser unnatürlich hell. Die Sterne und die scharf geschnittene Sichel des abnehmenden Mondes schienen ihm zuzublinzeln.
    Mit jeder Faser seines Leibes sehnte er sich nach dem Himmel. Er wollte ihn unter den Schwingen spüren, wollte mit seinem schwarzgefiederten Körper darin aufgehen, wollte von ihm liebkost werden wie von der Mutter, die er nie gekannt hatte.
    Sein unverletzter Flügel entfaltete sich in seiner ganzen übermannslangen Pracht. Sein anderer Flügel bebte, und mit einem qualvollen Stöhnen wich die Nachtluft aus Rephaims Lungen.
    Verkrüppelt!
, bohrte es sich ihm weißglühend in die Seele.
    »Nein. Noch steht es nicht fest.« Er sprach es laut aus und schüttelte den Kopf, um die ungewohnte Mattigkeit zu verscheuchen, derentwegen er sich zunehmend hilflos fühlte –
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