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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues
Autoren: Petra Gabriel
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sich jedenfalls immer an das Model
erinnert, dem ihre glühende Bewunderung gegolten hatte, als sie noch die
kleine, stark übergewichtige und sehr schüchterne Iris gewesen war. Twiggy,
einst die »teuerste Bohnenstange der Welt«, die heute kaum noch jemand kannte.
Aber Elena Malzacher sah nur oben herum aus wie Twiggy. Untenherum hatte sie,
verglichen mit dem spillerigen Oberkörper, ausladende Hüften. Vielleicht
hungerte sie deshalb. Dabei war ihr Hintern das einzig attraktive Körperteil an
Elena, fand Iris. Wegen dieses Hinterteils sah sie von hinten richtig gut aus.
Was hätte Iris für einen solchen Arsch gegeben.
    Sie hatte schlecht geschlafen. Stunde um Stunde hatte sie überlegt,
wie sie an die Informationen kommen könnte, die sie unbedingt brauchten, um die
Katastrophe zu verhindern. Sie hatte sich eine Liste mit Leuten gemacht, die
sie ganz sicher bei Linda treffen würde und die sie aushorchen wollte.
Hoffentlich stieß sie schnell auf eine Spur. Sonst würde es Tote geben.
    Sie war wie gerädert. An Tagen wie diesen fühlte sie sich doppelt
hässlich, und verglichen mit diesen beiden Korkenziehern kam sie sich mal
wieder wie ein Walross vor. An guten Tagen gelang es ihr manchmal, sich
einzureden, dass sie überhaupt nicht dick war. Nicht wirklich. Jedenfalls nicht
wabbelig. Nur kräftig gebaut. Vielleicht ein wenig kräftiger als Linda, die
Kleidergröße vierundvierzig haben dürfte. Und sie hatte weniger Falten im
Gesicht als diese Hungerhaken an der Kaffeetheke. Allerdings schillerten, wenn
sie genau hinsah, im Aschblond ihres Kurzhaarschnittes direkt beim
Seitenscheitel bereits die ersten grauen Fäden. Noch waren es wenige. Sie riss
sie sich regelmäßig heraus.
    Iris schaute kurz hoch und fragte sich, wie solche Spargel, die eine
in Pink, die andere in Türkis, es geschafft hatten, sich einen Ehemann zu
angeln. Aber es war ihnen geglückt. Im Gegensatz zu ihr selbst. Und die
Aussichten wurden nicht besser.
    Tanja war beruflich Hausfrau und leitete eine Kinder-Gymnastikgruppe
des Turnvereins Laufenburg, aus der die eigenen Töchter längst herausgewachsen
waren. Beide gingen inzwischen aufs Bad Säckinger Scheffelgymnasium. Ihr Mann
Hanspeter Gerber arbeitete beim Regierungspräsidium Freiburg. Außerdem war ihr
Schwager ein mittelhohes Tier in der Stuttgarter Landesregierung. CDU , schwarz bis in die Haarspitzen. Iris kannte ihn
nicht.
    Elena war Französischlehrerin an der Laufenburger Hans-Thoma-Schule.
Sie galt als derzeitiger Motor der deutsch-französischen Freundschaft zwischen
Laufenburg und der Partnerstadt Le Croisic in der Bretagne. Momentan plante sie
zusammen mit dem Schwarzwaldverein die jährliche Pfingstreise an die wilde
Küste des Atlantiks. Iris hatte gehört, wie sie mit Tanja darüber gesprochen
hatte, die dieses Mal offenbar samt Töchtern, Mann und Vater mitfahren wollte.
Elenas Mann Fred arbeitete fürs Schluchseewerk. Sie hatten einen Sohn im
Kindergartenalter, eigentlich ein netter kleiner Kerl, der von seiner Mutter
aber dauernd wegen Kleinigkeiten gemaßregelt wurde und deswegen verklemmt und
schüchtern daherkam. Das fand jedenfalls Iris. Seine Mutter brachte ihn
manchmal in den Buchladen mit.
    Iris verkniff sich einen Schnaufer. Hier wusste eben jeder über
jeden Bescheid. Und wer etwas nicht wusste, fragte Linda, die im Übrigen
durchaus diskret sein konnte. Sehr diskret, wenn es darauf ankam. Das galt
besonders für die geheimen außerehelichen Liebschaften ihrer Mitmenschen.
    »Nun sagen Sie schon, helfen Sie jetzt öfter hier aus, Iris?« Elena
Malzacher ließ nicht locker.
    »Hmhm«, antwortete Iris. Sie stellte eine Untertasse und einen
langstieligen Löffel für den Schockino bereit.
    In diesem Buchladen sprachen sich fast alle mit Vornamen an, viele
duzten sich. Das lag an Linda. Ihre Buchhandlung samt Café im östlichen und
neueren Teil der Laufenburger Altstadt, dort, wo es noch Parkplätze entlang der
Straße gab, war Anlaufstelle für alle, die etwas zu erzählen hatten oder
glaubten, etwas zu erzählen zu haben. Und natürlich für die, die einfach
jemanden treffen wollten.
    Mittendrin thronte die Inhaberin und schäkerte und lachte, dass man
es an der nächsten Straßenecke noch hörte. An der südöstlichen mit dem
Hotel-Restaurant »Alte Post« ebenso wie an der nordwestlichen, wo sich die
Bäckerei Hahn befand. Sie verteilte Küsschen und drückte die Neuankömmlinge an
ihren ansehnlichen – und je nach Stimmung und Temperatur mehr oder
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