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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues
Autoren: Petra Gabriel
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standen außerdem an der Eingangstür und weitere zwei davor. Ihre
Anspannung ging über die übliche konzentrierte Aufmerksamkeit hinaus. Sie wirkten
angestrengt und flüsterten unentwegt in die Mikrofone ihrer Headsets. Ihre
Augen standen keinen Moment still, ihre Blicke schweiften unentwegt umher,
sowohl nach draußen als auch zu den etwa zwanzig Menschen im Raum. Als
befürchteten sie, eine verdächtige Bewegung zu verpassen.
    Leute wie Oettinger hatten natürlich Leibwächter. Daran war man
gewöhnt. Doch heute hatte er sogar inoffizielle Bewacher dabei. Soweit
Malzacher das beurteilen konnte, hatten sich drei Männer und eine Frau aus
Oettingers Gefolge unter die geladenen Gäste gemischt. Die Gesichter waren ihm
jedenfalls fremd. Und sonst kannte er hier jeden. Außerdem saßen sie nicht
bequem auf dem Stuhl, sondern irgendwie sprungbereit.
    Wieso das? Was war hier los?
     
    Als Oettinger und die anderen Gäste gegangen waren, die
Putzfrauen machten sich bereits daran, die Tische abzuräumen und den Boden zu
wischen, erfuhr er den Grund der Nervosität: Es hatte eine Warnung des
Landeskriminalamtes gegeben. Irgendein verrückter Umweltspinner drohte in einem
Brief mit Bombenattentaten auf bekannte Politiker, möglicherweise auch auf den EU -Energiekommissar. Vom Bau des Pumpspeicherwerks war
in dem Schreiben die Rede. Also war auch die Schluchseewerk  AG gefährdet. Oettinger hatte sich aber offenbar
geweigert, deshalb seinen Besuch abzusagen, und letztlich war ja auch alles so
gelaufen wie sonst auch.
    Malzacher war beeindruckt von dieser Haltung. Dieser Mann ließ sich
nicht erpressen. Das Projekt war einfach zu wichtig.
    Nun, vielleicht war ein Mann wie der EU -Energiekommissar
so etwas auch gewohnt. Für Fred Malzacher, den zuständigen Sachbearbeiter für
Landkauf und Immobilien beim Schluchseewerk, war es die erste derartige
Erfahrung.
    Und es machte sich in ihm das Gefühl breit, dass heute vielleicht
doch nicht alles so abgelaufen war wie sonst.

2
    Iris Terheyde spürte das bekannte Kribbeln zwischen den
Schulterblättern. Sie wurde beobachtet. Zwei Frauenstimmen tuschelten hinter
ihrem Rücken. Sie wusste schon, worum es ging, sie konnte es langsam nicht mehr
hören. Angebliche Freundinnen hatten ihr, kaum dass es durchgesickert war,
umgehend die Gerüchte zugetragen, die über sie und ihre »Kündigung« kursierten.
Fuck! Sollten sie doch reden und spekulieren, so viel sie wollten.
    Sie konnte den alten Forstweiler hinter dem Raumteiler grummeln
hören. Dann raschelte Papier. Früher war er reformierter Pfarrer im Schweizer
Sulz gewesen. Nun lebte er im Haus des ehemaligen Laufenburger Seniorenheims
»Auf der Halde« in der Altstadt. Ein Lift im Haus, die Zimmer altengerecht
ausgestattet, die Bäder ebenfalls, aber ohne Heimleitung. Die hatte aufgegeben.
Dennoch war es fast so gut wie eine Seniorenresidenz. Die richtigen Alten- und
Pflegeheime hatten gepfefferte Preise. Kein Wunder, dass die Pflegeversicherung
langsam pleite ging. Iris vermutete, dass er für sein kleines Appartement
längst nicht so viel Miete bezahlen musste wie für eine seniorengerechte Bleibe
in der Schweiz.
    Von Montag bis Samstag saß Johannes Forstweiler am Morgen hinter dem
Paravent, der den Café-Bereich vom Buchladen und der Theke trennte, und las
Zeitung. Zuerst den »Südkurier« und dann die »Badische«. Am nächsten Tag machte
er es umgekehrt. Dabei regte er sich regelmäßig furchtbar auf. Er neigte zu
Selbstgesprächen, wenn er zornig wurde. Die Menschen in seiner Umgebung sahen
es ihm lächelnd nach. Immerhin war der Mann um die achtzig und das Predigen
gewohnt. So etwas ließ sich vielleicht nicht so einfach abstellen, wenn man in
Rente ging, und nun war eben Lindas Buchladen seine Kanzel. Ansonsten verhielt
er sich unauffällig. Bis auf seine Marotte, ständig an einem Zahnstocher herumzukauen.
Iris musste unwillkürlich schmunzeln bei der Vorstellung, wie er jetzt an
seinem Tisch saß, den wilden grauen Schopf schüttelte und einen Politiker
beschimpfte. Sie musste ihn nicht sehen, um das zu wissen, Linda hatte ihr
diesen Spleen sehr plastisch beschrieben. Gegen wen hatte er heute was? Sie
konnte nicht verstehen, wem sein Fluchen gerade galt.
    Iris hielt sich stoisch an der Kaffeemaschine fest, die samt Tassen
und weiteren Utensilien wie Löffel, Zucker, Milch und Keksen auf einer Ablage
vor einem großen Spiegel untergebracht war, und die sie inzwischen bestimmt
schon dreimal hintereinander gründlich
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