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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues
Autoren: Petra Gabriel
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gereinigt hatte. Immer darauf bedacht,
nicht in den Spiegel zu schauen. Denn das Spiegelglas warf außer ihrem eigenen
auch das Bild von zwei Frauen zurück. Beide waren vom intellektuellen und eher
verbissenen, mageren Typ. Sie hatten sich auf den Barhockern an der Kaffeetheke
eingerichtet.
    Wohl wissend, dass die beiden ihr Gesicht im Spiegel sehen konnten,
versuchte Iris sich in unbewegter Miene und hoffte, in Ruhe gelassen zu werden.
Doch man ließ sie nicht.
    »Ach, was höre ich da? Sie sind jetzt also als Aushilfe im Buchladen beschäftigt? Das ist dann wohl nur stundenweise, nicht wahr?
Könnte ich bitte einen Schockino bekommen? So wie Linda ihn immer trinkt? Und
zwei Glas Sekt, für meine Freundin eins mit.«
    Iris entgleiste kurz das Gesicht. Diese Elena triefte nur so vor falscher
Freundlichkeit und Mitgefühl. Wenn sie glaubte, dass sie ihr erzählte, warum
sie nicht mehr Hauptkommissarin bei der Lörracher Mordkommission war, dann
hatte sie sich aber geschnitten. Sie nickte nur ohne sich umzudrehen, und
machte sich an die Zubereitung des Kaffees mit Kakao und Schokostreuseln auf
dem Milchschaum. Beim »Linda spezial« kam noch Schokoladenlikör irischer
Machart oben drauf.
    Iris öffnete die Kühlschranktür und griff sich die Flasche im
Seitenfach. Sie versuchte, das Etikett zu entziffern, konnte aber die Schrift
nicht lesen. War das nun der Schokoladenkaramelllikör oder nicht? Sie hielt die
Flasche ins Licht, kniff die Augen zusammen und streckte den Arm dabei immer
weiter aus.
    »Presbyopie«, sagte eine Männerstimme freundlich. Sie kam von der
Toilettentür auf der anderen Seite des Raumes, die sich gerade geöffnet hatte,
wie Iris mit einem kurzen Blick in den Spiegel feststellte. Sie ignorierte die
Bemerkung des Laufenburger Optikers im Ruhestand jedoch ostentativ.
»Altersweitsichtigkeit«, ergänzte dieser ungerührt.
    Iris schaute in den Spiegel, sah sein grinsendes Gesicht, warf ihm
einen vernichtenden Blick zu und stellte die Flache neben die Kaffeemaschine.
Es war die richtige. Der rundliche Mann schmunzelte und verschwand hinter dem
Paravent.
    Die Maschine ratterte. Iris holte zwei Sektgläser aus einem der
weißen Hängeschränke links neben dem Spiegel und die Cremant-Flasche aus dem
Kühlschrank. Deren Etikett musste sie nicht lesen, weil sie unverwechselbar
war. Nach und nach füllte sie die Gläser. Schließlich hatte sie keine andere
Wahl. Sie musste sich umdrehen, um den Sekt auf die gläserne Ablage der
Kaffeetheke zu stellen. »Hier bitte. Der Schockino kommt gleich.«
    »Ach, Elena, sei nicht so neugierig«, prustete die andere Zimtzicke.
    Iris wusste, dass sie Tanja hieß. Tanja Gerber, dunkelbraune Haare
mit einem leichten Rotschimmer, letzterer vermutlich hineingefärbt, Bob-Frisur,
eng stehende braune Augen, ein wenig wie Glenn Close, darunter
Besenreiser-Bäckchen und ein kleiner Oberlippenbart. Wie fast immer trug sie
einen groß geblümten Rock und ein T-Shirt in diesem scheußlichen Pink, das ihr
besonders gut zu gefallen schien. Vielleicht, weil es farblich ganz gut mit den
geplatzten Äderchen auf ihren hohen Wangenknochen harmonierte. Sie hatte mit
ihrer Familie – dem Ehemann, zwei Töchtern im Teenager-Alter und ihrem
Vater – erst vor Kurzem ein neues Haus in der Mozartstraße bezogen, ganz
in der Nähe des römischen Gutshofes. Und die Besucher von Lindas Buchladen fast
täglich an den Einzelheiten ihres Kampfes mit den Handwerkern und mit einem
Ehemann teilhaben lassen, dem sie auch nach fünfzehn Jahren Ehe offenbar noch
nicht den »richtigen« Geschmack bezüglich der Innenausstattung anerzogen hatte.
    Elena, das war Elena Malzacher, geborene Kohlbrenner, geschiedene
Gerber. Elena war doch eigentlich ein griechischer Name, oder? Falls Elena
Malzacher griechische Vorfahren gehabt hatte, war das jedenfalls nicht mehr erkennbar,
denn sie hatte auf dem Kopf ein blondes Gekräusel – fast wie ein
Rauschgoldengel, nur ohne Gold –, das ihr bis zu den Ohren reichte und in
alle Richtungen abstand. Sie wirkte trotz Make-up blass, und diese Blässe
reichte bis in das Blau ihrer Augen. An ihren Ohren schwangen bei jeder
Bewegung riesige goldene Kreolen hin und her. Elena pflegte ihren Körper in
enge Kleidung zu zwängen. Heute war es eine türkisfarbene Puffärmelbluse mit
einem großen V-Ausschnitt, der ihre knochigen Schlüsselbeine besonders gut
betonte. Dazu trug sie eine Jeans. Iris verdächtigte Elena, an Bulimie zu
leiden. Bei ihrem Anblick fühlte sie
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