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Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Titel: Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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nahm eine Zigarette, zündete sie an und blies den Rauch zur Seite weg. »Bin ich dir denn gegenüber irgendwelche Verpflichtungen eingegangen? Du hast mir zu verstehen gegeben, dass unser kleines intimes Beisammensein eine einmalige Sache war.«
    »Aber ich habe doch …«
    »Du hast mit keinem Wort erwähnt, dass du mich wiedersehen wolltest.« Sie beugte sich vor, ihre schlanken Finger berührten sachte seine Hand. »Es war bloß Sex, nicht wahr? Ein körperliches Begehren zweier Menschen, die einander nach langer Zeit wiedertreffen. So hast du es mich spüren lassen. Oder?«
    Worauf wollte sie hinaus? Sollte er etwa auf Liebe machen? »Warum hast du mir eine falsche Telefonnummer aufgeschrieben?«, wiederholte er seine ursprüngliche Frage.
    »Es war wohl die alte Nummer«, antwortete Evi und zog die Hand zurück. »Du weißt schon: die Macht der Gewohnheit. Ich musste letzten Monat auf eine Geheimnummer umsteigen, nachdem mich so ein Spinner andauernd mit Anrufen belästigte.«
    Marco sah sie an. Versuchte, ihre Fassade zu durchdringen und herauszufinden, ob sie ihn anlog.
    »Es tut mir leid«, sagte er nach einer Weile und senkte den Kopf. »Ich hab es nicht so gemeint.«
    Sie sog an der Zigarette, inhalierte tief und schwieg. Lange. Ihre Blicke waren abschätzend, vielleicht auch kalt. Marco wusste es nicht zu beurteilen.
    »Was willst du von mir?«, fragte sie dann.
    »Dich näher kennenlernen. Du hast vorgeschlagen, dass wir uns mal aussprechen sollten.«
    »Und dir geht es nicht nur um … Spaß?« Evi lächelte.
    »Nein.« Doch! , dachte er. Dochdochdoch!
    »Es war für mich nicht leicht während der Schulzeit«, sagte sie. »Ihr habt ordentlich auf mir herumgehackt, habt mich geärgert, habt mich zur Versagerin degradiert.«
    »Ich weiß. Es ist unentschuldbar. Aber wir waren doch Kinder! Jugendliche, die nicht erwachsen werden wollten.«
    »Du und Blink, Funke, Herbie und Bertl. Tagaus, tagein musste ich eure Gemeinheiten ertragen.« Evi lächelte weiterhin, so nett und unverbindlich, als würde sie ihrer geliebten Großmutter ein Stück Kuchen auf den Teller laden. »Es dauerte lange, bis ich mir meiner Stärken bewusst wurde und mich entfalten konnte. So lange …«
    »Du hast dich anständig gemausert. Nach allem, was ich über dich gelesen und gehört habe …«
    »Was ich beruflich erreicht habe, hat keine Bedeutung, Marco. Geld interessiert mich nicht. Ich bin seit jeher gut abgesichert. Mein Vater hat sich gut um mich gekümmert und dafür gesorgt, dass es mir an nichts fehlte. Na ja, ein wenig Zuneigung hätte er mir schon schenken können.«
    Sie nahm das Glas und leerte es mit einem Zug, der rote Lippenstift hinterließ eine deutliche Spur am Rand.
    »Ich brauchte Freunde, als ich jung war. Aber ich habe bloß Abneigung und Verachtung bekommen. Von Leuten, die mir den Reichtum meines Vaters neideten. Aber keiner von ihnen gab sich die Mühe, zu sehen, wer und was ich war. Auch und vor allem du nicht, Marco.«
    Sie hatte recht. Blink, Marco und die anderen waren wie kleine Kinder gewesen, die einem Insekt Flügel und Beine ausgerissen hatten, um über die Hilflosigkeit des Insekts zu lachen.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise.
    »Meinst du, dass es damit getan ist?«
    Evi schob ein Bein vor, es berührte seines, wie unbeabsichtigt.
    »Glaube ich nicht. Aber mehr als eine Entschuldigung kann ich nicht anbieten.«
    Der Kellner tauchte wie von Geisterhand auf. Er war kleinwüchsig und roch seltsam. Er ignorierte Marco und wandte sich stattdessen Evi zu. Sie bestellte Fisch für beide, in sauber klingendem Portugiesisch.
    »Ich kann mich nur wundern über dich«, sagte Marco und schüttelte den Kopf.
    »Warum? Weil ich mich weiterentwickelt habe?« Sie brach ein Stück Weißbrot, tunkte es in Olivenöl und begann zu knabbern. »Weil ich nicht mehr die dumme kleine Pute bin, die ich einmal war?«
    Marco griff nun ebenfalls zu. Das Gespräch entwickelte sich in eine Richtung, die ihm ganz und gar nicht behagte. Das Brot war sein Rettungsanker. Er stopfte einen Bissen nach dem anderen in seinen Mund und kaute möglichst langsam darauf herum.
    Evi lächelte ihn an, auf eine Weise, die ihn nervös machte. Sie wartete. Lauernd, gut vorbereitet.
    Marco kam sich klein und unbedeutend vor. Es war ein seltsames Gefühl. Normalerweise bestimmte er das Gespräch. Er hatte viel von sich zu erzählen. Er machte Eindruck mit seiner Lebenseinstellung, seinem Beruf, der ihm viel Freiheiten erlaubte, und manchmal
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