Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Titel: Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
fremd geworden. Man plauderte über Belanglosigkeiten und lachte über Episoden aus dem gemeinsamen Schulleben, die schon damals nicht lustig gewesen waren.
    Drei ehemalige Klassenkameraden waren klug genug gewesen, gar nicht erst zu erscheinen. Drei weitere waren vorzeitig gestorben – Selbstmord, ein Zuviel an Drogen und ein Herzinfarkt waren die Ursachen gewesen. Der Kontakt zu zwei weiteren ehemaligen Klassenkameraden war während der letzten Jahre völlig abgerissen.
    »Langweilig. Ja.« Frank nickte ihr zu. Er musterte sie von oben bis unten und beobachtete interessiert, wie Evi Luft einsog, den Mund rund machte, sich über die Lippen leckte. »Lass uns Spaß haben.«
    Sie kamen nicht weit, bloß bis zur Damentoilette des Restaurants. Und sie hatten Spaß. Mehr, als Marco jemals gedacht hätte.
*
    Nach dem überraschenden Ende dieses Abends hörte Marco lange nichts mehr von Evelyn. Sie waren ihrer Wege gegangen, nachdem sie die Telefonnummern ausgetauscht und sich gegenseitig versichert hatten, sich bald mal wieder zu verabreden. Küsschen hier und Küsschen da, ein letztes Abschiedswort – und das Klassentreffen war für sie beide zu Ende gewesen.
    Marco nahm einen Job an, um als Tontechniker die Fertigstellung einer Dokumentation über Schmetterlingszucht zu begleiten. Ein langweiliges Thema, gewiss, aber die Arbeit brachte ihn weit, weit weg von Wien – und vor allem weit weg von den seltsamen Ideen, die ihm durch den Kopf spukten. In Vorarlberg hoffte er, wieder zu sich zu kommen und zu verstehen, was da mit Evi vor sich gegangen war. Er legte sein Handy beiseite und schwor sich, es nicht anzurühren, bis der Job erledigt war – um es dann doch in jedem freien Moment einzuschalten und zu überprüfen, ob seine Klassenkameradin ihm eine SMS geschickt hätte.
    Nichts.
    Sie interessierte sich nicht für ihn. Sie hatten guten und wilden Sex gehabt – und das war es auch schon gewesen.
    Ungeschützten Sex, erinnerte Marco sich, und fühlte eine Gänsehaut den Rücken hochkriechen.
    Er sah während seiner Zeit in Vorarlberg so viele Schmetterlinge aus nächster Nähe aus schleimigen Kokons schlüpfen, dass er am Ende der dritten Arbeitswoche einen Brechreiz empfand, sobald er auch nur an sie dachte. Er applaudierte besonders laut, als die Arbeit abgeschlossen wurde. Jürgen, der Ideengeber des Projekts, das für die Wissenschaftsabteilung des staatlichen Fernsehens produziert worden war, spendierte allen Beteiligten billigen Sekt. Es wurde ausgelassen, mitunter hysterisch, gefeiert, wie es am Filmset nun mal so üblich war.
    Der Kameramann mit dem großen Namen steckte seinem Assistenten mit dem nicht ganz so großen Namen ein kleines Tütchen zu, klopfte ihm generös auf die Schulter und zog ihn mit sich, hin zu einem der Waschräume. Die ehrgeizige Assistentin lachte viel zu laut und viel zu nervös, als ein Sponsorenvertreter sie mit zunehmender Trunkenheit immer ungenierter begrapschte. Doch sie ließ es geschehen; er war schließlich ein einflussreicher Mann im Imperium des Giebelkreuzes, und er lockte sie schon seit einigen Tagen mit Aussichten auf einen tollen Job. Aus einem Nebenraum drangen Geräusche, die die Anwesenden lange rätseln ließen, wer denn da so heftig zugange war. Es stellte sich heraus, dass zwei Lichttechniker und eine Maskenbildnerin fehlten. Die Dame mit dem Spitznamen »Die Spinne« war bereits jenseits der sechzig. Doch immer noch gingen ihr junge Männer ins Netz, so wie auch Marco selbst einmal in den Genuss ihrer beeindruckenden Fähigkeiten gekommen war, damals, als er im Filmgeschäft begonnen hatte.
    Er hatte dieses Leben so satt …
    Alles war oberflächlich, die Leute stets nur aufs schnelle Glück aus, bevor sie sich aufs nächste Projekt stürzten. Sie waren wie Angehörige eines Wanderzirkus, der von Stadt zu Stadt zog. Allesamt hatten sie keine Wurzeln, allesamt waren sie kaum in der Lage, irgendwelche Bindungen aufzubauen.
    Marco starrte aufs Display des Handys. Nichts. Seine Mutter sorgte sich um ihn, und Blink wollte ihn treffen, sobald er in Wien zurück war. Von Evi jedoch war keine Nachricht gekommen.
    Marco gab ihre Nummer ein. Er kannte sie längst auswendig. Er starrte die elfstellige Ziffernkombination an, sein Daumen verharrte über dem Verbindungssymbol, wie immer während der letzten Tage. Er hatte die Taste noch nie gedrückt. Wollte nicht schwach werden. Wollte nicht zugeben, dass er mehr Sehnsucht nach ihr hatte als sie nach ihm.
    Marco senkte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher