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Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen

Titel: Horror Factory - Die Herrin der Schmerzen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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veröffentlicht. Solche, die trotz des sperrigen Themas mit viel Esprit geschrieben worden waren. An renommierten Universitäten an der Ostküste der USA hatte sie ebenfalls darüber doziert und viel Zuspruch geerntet …
    Marco hielt inne. Das konnte unmöglich dieselbe Evelyn Hamperg sein, mit der er fünf Jahre im selben Klassenzimmer verbracht hatte! Ihr einziges Kapital war der unbändige Fleiß gewesen. Sie hatte Skripte und Bücher auswendig gelernt und sie Wort für Wort zitieren können. Andernfalls hätte sie niemals das Abitur geschafft.
    Er versuchte, sich das Mädchen von damals in Erinnerung zu rufen. Er sah ein unsicher wirkendes Wesen, das sich ungelenk bewegte und dumm in die Welt hinausstarrte, ohne auch nur im Geringsten zu begreifen, was ringsum vor sich ging.
    Marco forschte weiter, insbesondere nach Hinweisen auf ihr Privatleben. Dazu gab es im Internet weitaus weniger Material zu finden als über ihre beruflichen Erfolge, aber immer noch genug, um Marcos Kopfschmerzen weiter zu verstärken.
    »Evi Rottenbach gilt als eine der bedeutendsten Kunstsammlerinnen Österreichs«, las er die Einleitung zu einem der wenigen Interviews, die sie einem Zeitungsjournalisten gegeben hatte. »Besonderes Gewicht legt sie auf Kunst des Viktorianischen Zeitalters und der Postmoderne. Sie ist Mäzenin zweier Wiener Museen, arbeitet als Beraterin eines großen Auktionshauses, und das in mehreren Bereichen. Sie ist firm in der Beurteilung antiker Möbel, arabischer Teppichknüpfarbeit, Meißener Porzellangeschirrs, alter Schweizer Uhren und von Goldschmiedearbeiten aus der K.-u-k.-Monarchie.«
    Evi hatte bald nach der Schule geheiratet, erinnerte sich Marco. Einen unscheinbaren Kerl, der wie sie nach Geld gestunken und auch nicht sonderlich helle gewirkt hatte. Tja, so konnte man sich irren …
    »Georg Zapfreiter«, las er den achtzehn Monate alten Text eines Familienfreundes, »Georg Zapfreiter ist heute auf tragische und unerwartete Weise ums Leben gekommen. Sein Tod ist ein herber Verlust für mich und alle, die ihn gekannt haben; vor allem aber für die trauernde Witwe Evelyn, der nun unser aller Mitgefühl gelten muss …«
    Marco hielt inne. Er musste lächeln. Offenbar hatte Evi ihre Trauerphase längst erfolgreich abgeschlossen. Oder aber sie hatte einen ganz besonderen Weg gefunden, ihren Verlust zu verarbeiten.
    Er trank einen Schluck vom kalt gewordenen Kaffee und dachte nach. Die Witwe Evelyn Zapfreiter galt als steinreich. Sie gab nur höchst selten Einblicke in ihr Privatleben, auch wenn sie von der mediengeilen Wiener Schickeria hofiert wurde. Sie machte sich rar, und sie legte keinen Wert auf öffentlichkeitswirksame Auftritte.
    Warum hatte er das alles nicht gewusst? Wann waren diese Dinge geschehen, und war das wirklich seine Evi?! Wie passte diese heiße Nummer auf der Toilette eines gutbürgerlichen Restaurants mit all dem zusammen, das er eben in Erfahrung gebracht hatte? Und vor allem: Welche gute Fee hatte ihr bitte schön den Wunsch nach Verstand erfüllt?
*
    Marco und Blink unterbrachen die erste längere Frühlingsausfahrt im Gasthaus zur »Kalten Kuchl«. Mehr als hundert Biker hatten ihre chromglänzenden Motorräder entlang des Parkplatzes abgestellt. Die drallen Serviererinnen hatten alle Mühe, den Wünschen ihrer Kunden nachzukommen. Sie servierten großzügig geschnittene Stücke des hausgemachten Millirahmstrudels im Dutzend.
    Sie redeten über Belangloses. Marco musste lange Anlauf nehmen, bis er endlich den Mut aufbrachte, dem Freund von den Ergebnissen seiner Nachforschungen zu erzählen – und von seinem Erlebnis während des Klassentreffens.
    Er beobachtete Blink. Doch der verzog keine Miene, wie so oft. Er runzelte bloß die Stirn. »Und du bist dir sicher, dass das alles stimmt?«
    »Ich habe es überprüfen lassen«, unterbrach Marco ihn. »Evi ist steinreich. Sie hat das Vermögen ihrer Eltern vermehrt und ist drauf und dran, das ihres verstorbenen Mannes noch weiter zu steigern.«
    »Ich habe natürlich von einer Witwe Zapfreiter gehört«, sagte Blink, »hätte den Namen aber niemals mit Evelyn in Verbindung gebracht. Das ist doch absurd! Unsere Evi …« Er schüttelte den Kopf.
    Sie schwiegen eine Weile, lauschten dem Klang startender Motorräder, blickten über Baumwipfel auf das gebirgige Mariazellerland hinab. Neue Gäste kamen hinzu, andere verließen das Lokal.
    »Wir haben ihr das Leben nicht sonderlich leicht gemacht, damals«, sagte Blink.
    »Das stimmt. Wenn
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