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Horror Factory 09 - Die Todesuhr

Horror Factory 09 - Die Todesuhr

Titel: Horror Factory 09 - Die Todesuhr
Autoren: Robert C. Marley
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seinem Kopf durchzuckte ihn wie ein Blitz. Erst jetzt bemerkte er den Mann, der gut zwei Meter von ihm entfernt zusammengekrümmt am Boden lag.
    Dem Mann schien es noch schlechter zu gehen als ihm selbst. Schwerfällig hob er den Kopf, um in Poes Richtung zu sehen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und er stöhnte leise.
    Poe war urplötzlich hellwach. Auf allen vieren kroch er zu dem Mann hinüber und beugte sich über ihn. »Was ist passiert? Wo sind wir hier?«
    »Wir müssen uns beeilen«, stieß der Mann hervor. »Sie müssen fort von hier, solange sie Ihnen noch die Möglichkeit dazu lassen.«
    Der Mann trug seltsam fremdartige Kleider, die Poe keiner ihm bekannten Mode zuzuordnen imstande war, und sei sie auch noch so exzentrisch gewesen. Der flache, halb zerfetzte Hut des Mannes, der einem auf ein Viertel gekürzten Zylinderhut ähnelte und den man aus Stroh oder aus in schmale Streifen geschnittenen Palmblättern geflochten hatte, war das Schäbigste und Seltsamste, was er an Kopfbedeckungen je gesehen hatte. Seine Kleidung bestand aus einer Art Schoßrock aus dünnem, schwarzem und äußerst minderwertigem Alpakastoff. Die Nähte waren mehr oder weniger aufgetrennt und zerrissen – verschossen und schmutzig. Dazu eine stahlfarbene Hose fremdartigen Schnitts mit einem undefinierbaren Kassinettmuster. Sie war sehr abgenutzt und passte schlecht. Sein Hemd war zerknittert und starrte vor Dreck. Er trug weder eine Weste noch ein Halstuch. An seinen Füßen hatte er Schuhe aus sehr grobem Material, die, so schien es, noch nie eine Bürste oder Schuhwichse gesehen hatten.
    »Sie sind in fürchterlicher Gefahr.« Das Sprechen fiel ihm offenbar von Minute zu Minute schwerer. »Ich möchte, dass Sie mir ganz genau zuhören. Ihr Leben hängt davon ab. Gehen Sie in die Barnham Street. In das Haus Nummer 304. Die Wohnung ganz unter dem Dach. Dort habe ich eine Nachricht für Sie hinterlassen, die Ihnen alles erklären wird.«
    »Eine Nachricht für mich?« Poe war erstaunt. »Sie wissen, wer ich bin?«
    »Selbstverständlich, Mr Poe«, sagte der Mann. »Ziehen Sie Ihre Kleider aus. Sie haben nicht mehr viel Zeit. Die drei Männer werden in exakt vier Minuten zurückkommen.«
    »Aber ich bitte Sie, Sie reden ja wirr«, sagte Poe. »Ich werde mich nicht ausziehen!«
    Ein Stöhnen entrang sich der Brust des fremdartig gekleideten Mannes. »Sie müssen!«, beharrte er. »Sie haben keine Wahl. Sie müssen mit mir die Kleider tauschen. Wenn Sie es nicht tun, werden Sie womöglich sterben.« Und obwohl es ihn schier unglaubliche Anstrengung kosten musste, begann der Fremde seinen Mantel aufzuknöpfen und machte Anstalten, ihn auszuziehen. Auch Hose und Hemd versuchte er unter Mühen abzustreifen – allerdings vergeblich. Dann sank er kraftlos ins Stroh zurück. Und als Poe ihn nur ungläubig staunend anstarrte: »Es ist zu spät. Aber nehmen Sie um Gottes willen wenigstens den Bart.« Zu Poes größtem Erstaunen griff sich der Mann an den roten Vollbart und zog ihn mit zwei kräftigen Rucken ab. Erst den Schnurrbart, dann den dichten Backenbart. Beides hielt er mit zittriger Hand in die Höhe. »Hier, kleben Sie sich das an. Machen Sie, Mann! Machen Sie!«
    Edgar Poe glaubte in sein eigenes Spiegelbild zu sehen. Ohne den roten Bart glich er ihm beinahe aufs Haar. Nur schien er wesentlich älter zu sein. Poe schätzte den Mann auf Mitte sechzig.
    Nach kurzem Zögern nahm Poe beides entgegen. Mittlerweile war er wieder so weit klar, um zu erkennen, dass der Mann es ernst meinte – todernst.
    Rasch und so gut es ohne Spiegel ging, klebte er sich die Bartstücke ins Gesicht und sah den Fremden an. »Ist es richtig so?«
    Der Mann nickte schwach.
    »Und wer zum Teufel sind Sie?«, fragte Poe.
    »Mein Name …«, sagte der Mann, »mein Name ist Reynolds.« Das Sprechen schien ihn unendliche Mühe zu kosten. »Aber sobald Sie hier raus sind und sich in Sicherheit gebracht haben, werde ich Sie sein.«
    Poe starrte ihn an. »Was?«
    »Ich werde Sie sein«, wiederholte der Mann. »Edgar Poe.« Unwillig schüttelte er den Kopf. »Fragen Sie nicht. In der Wohnung finden Sie einen Brief, der Ihnen vieles erklären wird.«
    »In der Wohnung?« Poe konnte noch immer nichts anderes tun, als den Mann anzustarren.
    »In der Standuhr«, sagte Reynolds. »Für mich können Sie nichts mehr tun. Und nun gehen Sie! Gehen Sie zur Tür.« Er hatte es kaum ausgesprochen, als er plötzlich markerschütternd zu schreien anfing – laut und schrill wie
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